Briefing

PI-Rundbrief | Nr. 16 | Die Welt der Arbeit

m Internationalen Tag der Arbeit erinnern wir uns an die historischen Siege der Arbeiter*innenbewegung — die von früher und die von heute.
Im sechzehnten Rundbrief der Progressiven Internationalen von 2025 befassen wir uns mit dem Internationalen Tag der Arbeit und den Siegen, die die Arbeitenden auf der ganzen Welt errungen haben. Wenn du unseren Rundbrief per E-Mail erhalten möchtest, kannst du dich über das Formular am Ende dieser Seite anmelden.

Als Eduardo Galeano 1988 die Stadt Chicago in den USA besuchte, bat er seine Freunde, ihn in den Haymarket District mitzunehmen. „Zeigt mir den Ort, an dem die Arbeiter, vor denen die ganze Welt jeden 1. Mai salutiert, gehängt wurden“, sagte er.

Der uruguayische Journalist war auf der Suche nach einem Denkmal für die Märtyrer vom Haymarket, die sich am 1. Mai 1886 Hunderttausenden von streikenden Arbeiter*innen in den Vereinigten Staaten anschlossen, um das Recht auf einen achtstündigen Arbeitstag zu fordern.

Als drei Tage später zu einer Demonstration aufgerufen wurde, um die Bemühungen der Polizei, den Streik niederzuschlagen, anzuprangern, wurde eine Bombe – von einem auch heute noch unbekannten Ort – in die Menge geworfen. Die Polizei reagierte sofort und schoss Dutzende Arbeiter*innen nieder. In der Stadt wurde das Kriegsrecht ausgerufen, und obwohl es keine einschlägigen Beweise gab, die sie mit dem Vorfall in Verbindung brachten, wurden sieben führende Chicagoer Gewerkschaftsorganisatoren angeklagt und hingerichtet.

Die Repressionen nach der Haymarket-Affäre bestätigten nur, was für eine Bedrohung die organisierten US-amerikanischen Arbeiter*innen für die Kapitalistenklasse darstellten. Gleichzeitig gewann der europäische Sozialismus auf der anderen Seite des Atlantiks an Boden. Nach zahlreichen gescheiterten Initiativen im Laufe eines Jahrzehnts war die Gründung der Zweiten Internationale im Juli 1889 das erste Mal, dass eine Arbeiterinternationale Millionen von Arbeiter*innen zusammenbrachte, die sich mit sozialistischen Parteien in ganz Europa identifizierten. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 zählten die Internationalen mehr als drei Millionen Mitglieder.

Anlässlich des hundertsten Jahrestages der Französischen Revolution beschloss der Gründungskongress der Zweiten Internationalen, der in Paris mit 400 Delegierten tagte, zu einer weltweiten Demonstration aufzurufen. Als die US-amerikanische Delegation ihre Absicht äußerte, den Jahrestag der Haymarket-Affäre am 1. Mai zu begehen, wurde dieser Tag als Datum für die Kundgebung festgelegt. „In allen Ländern und Städten müssen die werktätigen Massen an einem bestimmten Tag von den Staatsbehörden die gesetzliche Verkürzung des Arbeitstages auf acht Stunden verlangen“, heißt es in der Resolution des Kongresses.

In den darauffolgenden Jahren diente der Internationale Tag der Arbeit als wichtige Erinnerung daran, dass die Arbeiterschaft seit je her an der Spitze des sozialen und politischen Wandels steht. Nachdem dann die russische Arbeiterklasse nach Oktober 1917 den ersten proletarischen Staat der Geschichte gegründet hatte, wurde der 1. Mai in der gesamten Sowjetunion zum Feiertag erklärt. Sechs Jahrzehnte später, am 1. Mai 1975, wurde das revolutionäre Volk Vietnams nach über einem Jahrhundert der Kolonialherrschaft befreit.

Heute lebt das Erbe des 1. Mai im Kampf der Arbeiter*innen auf der ganzen Welt weiter. In Indien schlossen sich Plattformarbeiter*innen zusammen, um der Unterdrückung durch Algorithmen und der Ausbeutung durch unsichtbare Arbeitgeber zu widerstehen. Letzte Woche entsandte die Progressive Internationale eine Delegation nach Hyderabad, um diese Bemühungen zu unterstützen und Telanganas historischen „Gig and Platform Workers Act 2025“ zu feiern.

„Dies ist ein weichenstellender Wandel“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Jayati Ghosh auf unserer App-Worker-Power-Veranstaltung. „Im Gegensatz zu früheren Rechten, die sich auf staatliche Dienstleistungen wie Lebensmittel oder Bildung konzentrierten, ist dies das erste Recht, das direkt in den Arbeitsmarkt eingreift. Es geht über die Wohlfahrt hinaus und reguliert die Arbeit selbst, ähnlich wie bei den Mindestlohngesetzen.“

Unterdessen brachte in Argentinien ein landesweiter Generalstreik – der dritte seit dem Amtsantritt von Javier Milei – am 10. April Züge, Häfen und Flugzeuge zum Stillstand, als Hunderttausende von Arbeiter*innen ihre Arbeit niederlegten. Auch anderswo tauchen Alternativen zur brutalen Sparpolitik auf. In Slowenien rücken die Arbeiter*innen der Macht immer näher. Unter der Führung von Levica, Mitglied der Progressiven Internationalen, führte die Regierung im Jahr 2024 das Gesetz zur Mitarbeiterbeteiligung ein, um die Kontrolle der Arbeitnehmer*innen zu fördern und die slowenische Wirtschaft zu demokratisieren.

Diese Kämpfe finden nicht isoliert statt. Sie mögen unterschiedlich und weit voneinander entfernt sein, aber zusammen stellen sie eine organisierte und internationale Herausforderung gegen die Ausnutzung und Ausbeutung des Monopolkapitalismus dar. Der Fall Amazon bietet ein eindrucksvolles Beispiel dafür.

Im vergangenen Monat, am Karfreitag, streikten Tausende von Amazon-Auslieferungsfahrer*innen in den 41 Vertriebszentren Italiens. „Alexa, suche für mich einen fairen Vertrag“, stand auf dem Transparent eines Arbeiters, als schätzungsweise 10.000 Fahrer*innen an der Kampagne für Arbeitsplatzsicherheit teilnahmen. Um Jeff Bezos‘ ausgedehntes Geschäft im Wert von zwei Billionen US-Dollar in Italien und international zum Erliegen zu bringen, ergreifen die Beschäftigten mit Unterstützung der Kampagne der Progressiven Internationalen, „Make Amazon Pay“, nun auf jeder Stufe der Lieferkette des Unternehmens Maßnahmen.

Die Vernetzung des Kapitals war einer der ersten Gründe für die Einführung eines internationalen Arbeitertages. Es ging nie nur um Stellen, Bezahlung oder Bedingungen. Am 1. Mai wurde seit je her die Wichtigkeit eines umfassenderen Kampfes gegen den Imperialismus gefeiert. Ein Bajonett ist schließlich eine Waffe mit einem Arbeiter an beiden Enden.

Den ganzen April über gingen marokkanische Arbeiter zu Tausenden auf die Straße, um gegen die Mitschuld ihrer Regierung an dem Waffentransport nach Israel zu protestieren. Unterstützt von der Kampagne „No Harbour For Genocide“, unter der Leitung der Progressiven Internationalen und der palästinensischen Jugendbewegung, wurde die Hafenarbeitergewerkschaft von Marokko über die Ankunft eines Maersk-Schiffes mit Waffenteilen für Netanjahus Völkermordregime informiert. Während die Gewerkschaft „Arbeiter*innen, Angestellte und Unternehmen“ dazu aufrief, das Schiff zu boykottieren, kündigten die Beschäftigten ihre Jobs, anstatt die Waffen aufs Schiff zu laden.

Aber die Rolle der Arbeiterinnen im Kampf für Gerechtigkeit in Palästina reicht weit über die Frontlinien hinaus. Seit Monaten organisieren sich Beschäftigte von Booking.com gegen die 55 illegalen Angebote ihres Arbeitgebers im besetzten Westjordanland und auf den Golanhöhen. Jetzt startet die Progressive Internationale zusammen mit einer breiten Koalition von Organisationen die Kampagne „Stop Booking Apartheid“. Ein Mitarbeiter des Unternehmens sagte: „Es ist an der Zeit, dieser Komplizenschaft ein Ende zu setzen – sonst wird Booking.com zu einem beschämenden, unauslöschlichen Schandfleck in unseren Lebensläufen und unserem Gewissen.“ Am 8. Mai werden Arbeiterinnen und Aktivistinnen in Manchester und Amsterdam unsere Kampagne zur Tür von Booking.com tragen. Wir laden dich ein, gemeinsam mit ihnen im Namen der Kampagne Stop Booking Apartheid zu handeln.

Im Jahr 1988 verließ ein enttäuschter Eduardo Galeano Chicago. „In der Stadt Chicago wurde nie eine Statue zum Gedenken an die Märtyrer von Chicago errichtet“, schrieb er Jahre später. „Keine Statue, kein Monolith, keine Bronzetafel. Nichts.“ Aber die Haymarket-Märtyrer werden niemals vergessen werden. Ihr Opfer lebt im anhaltenden Kampf unserer Bewegung für Freiheit und Würde weiter, von den Docks von Tanger bis zu den Dörfern von Telangana.

Das Neueste aus der Bewegung

Ein Angriff auf die Solidarität selbst

Am Freitagmorgen um 00:23 Uhr griffen israelische Drohnen das zivile Schiff Conscience in internationalen Gewässern in der Nähe von Malta an.

Die 30 Besatzungsmitglieder der Freedom Flotilla, die wichtige Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen versuchten, blieben ohne Strom und drohten zu ertrinken, weil die Bombardierung einen Brand an Bord und einen Riss im Rumpf verursacht hatte. Die maltesische Regierung hat jedoch den Hilferuf der Conscience ignoriert und das Schiff bleibt trotz der Gefahr eines weiteren Angriffs weiterhin in Seenot.

„Um unserer mehr als fünfzigtausend Brüder und Schwestern willen, die im Gazastreifen den Märtyrertod gestorben sind, und für die Hunderttausenden unserer lebenden Geschwister in Gaza, das in ein Freiluftgefängnis umgewandelt wurde, werden wir Widerstand leisten“, sagte Besatzungsmitglied und Entwicklungshelfer **Beheşti İsmail Songür. „**Wir werden uns von den Angriffen nicht entmutigen lassen und wir werden den Kampf weiterführen!“

Kunst der Woche

Togetherness.org war eine von vielen Web-Domains, die Anfang der 2000er Jahre von Mai Ueda im Zusammenhang mit der Neen-Bewegung gekauft wurden. Mai erachtet den Domainnamen als Gedicht und meint, der Inhalt sei „nicht so wichtig“. Die Grafik zeigt zwei CDs, die „zusammen spielen“ und an das wegweisende, Werk „Untitled“ (Perfect Lovers) von Félix González-Torres erinnern. „Untitled“ zeigt zwei identische Wanduhren, die Seite an Seite hängen und dieselbe Uhrzeit anzeigen, obwohl sie allmählich aus dem Takt geraten. Die Werke wurden Claire Fontaine und Ahmet Öğüt zugesprochen und waren bereits in früheren Rundschreiben zu sehen.

Mai Ueda ist eine japanische Teekünstlerin. Sie lebt in Kyoto und ist Mitbegründerin des „World Tea Gathering“. Udea arbeitet seit langem mit Rirkrit Tiravanija zusammen, die 1961 in Buenos Aires geboren wurde und in Thailand, Äthiopien und Kanada aufgewachsen ist, bevor sie international für das Kochen im Kontext zeitgenössischer Kunst bekannt wurde, was zu dem führte, was heute als relationale Ästhetik bekannt ist. Mit dieser Kunst der Woche möchten wir dich ermutigen, nicht an booking.com zu denken, sondern an togetherness.org und die internationale Gemeinschaft, die dich freundlich aufnimmt, wenn du gute Beziehungen pflegst.

Available in
EnglishSpanishGermanPortuguese (Brazil)
Date
03.05.2025
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