Labor

Indiens Modi-Regierung rehabilitiert im Jahr 2023-24 nur gerade 468 Zwangsarbeiter*innen – gegenüber Jahresziel von 1.300.000

In Indien werden sozial benachteiligte Familien, die sich verschuldet haben, trotz rechtlichem Schutz gnadenlos ausgebeutet.
Trotz des indischen Gesetzes zur Abschaffung der Schuldknechtschaft von 1976 besteht die systemische Ausbeutung fort, wobei marginalisierte Gemeinschaften unter schrecklichen Bedingungen in die Schuldensklaverei gezwungen werden. Jüngste Fälle zeigen, dass den Opfern, einschließlich Minderjährigen, Löhne, medizinische Versorgung und Rechtsschutz verweigert wurden, während die staatlichen Rehabilitationsziele zur Beseitigung tief verwurzelter Kasten- und wirtschaftlicher Ungleichheiten viel zu kurz greifen.

Neu-Delhi: Ein Einwohner von Saharanpur in Uttar Pradesh hatte sich von einem Unternehmer 10.000 Rupien für die Hochzeit seines Sohnes geliehen. Als er den Kredit nicht zurückzahlte, verschwor sich der Unternehmer mit einem Bauunternehmer und zwang den Vater und seine beiden Söhne zur Schuldknechtschaft auf dem Chawri-Basar in Delhi. Sie mussten ausgedehnte Arbeitszeiten auf sich nehmen, durften ihren Arbeitsplatz nicht verlassen und erhielten keine Entschädigung.

Der unerbittliche Kreislauf der Ausbeutung dauerte rund um die Uhr, bis er nach acht Monaten unterbrochen wurde, als sich der jüngere Sohn bei der Arbeit verletzte. Damit sie nicht für die Kosten für seine medizinische Versorgung aufkommen mussten, schüchterten der Bauunternehmer und der Unternehmer sie ein, sodass sie gezwungen waren, den Ort zu verlassen. Ohne medizinische Behandlung hat sich das Sehvermögen des jungen Mannes jetzt verschlechtert.

Dies ist keine Anekdote aus einem Feudalgut des Mittelalters, sondern eine Tragödie, die sich zwischen Februar und Oktober 2024 nur fünf Kilometer vom indischen Parlament entfernt ereignete.

Das ist kein Einzelfall. Im ‘neuen Indien’ des 21. Jahrhunderts gibt es Millionen von Zwangsarbeiter*innen in der Schuldknechtschaft. Die indische Regierung hat sich 2016 zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 18,4 Millionen Zwangsarbeiter*innen zu befreien und zu rehabilitieren.

Die Entschlossenheit der indischen Regierung, die Schuldknechtschaft abzuschaffen, ist jedoch keine neue Entwicklung. Im Jahr 1976 erließ die Regierung das Gesetz zur Abschaffung des Schuldknechtschaftsystems, das für illegal erklärt wurde. Dennoch existiert es in der indischen Gesellschaft bis heute weiter.

Familien, darunter minderjährige Kinder, sind gezwungen, als Zwangsarbeiter*innen in ganz Indien zu arbeiten

In Sonipat in Haryana kam es zu einem Vorfall mit einer Familie aus dem Distrikt Baghpat in Uttar Pradesh, bei dem acht Angehörige während fünf Monaten und fünfzehn Tagen gegen eine Vorauszahlung von 10.000 Rupien in die Schuldknechtschaft gerieten. Unter ihnen waren vier Minderjährige, darunter ein einjähriges Mädchen. Die Arbeiter*innen, einschließlich der Minderjährigen, wurden gezwungen, ohne Bezahlung zu arbeiten, und erhielten nur das absolut Mindeste, um zu überleben. Ein Familienmitglied entkam aufgrund von extremem Hunger, was die anderen dazu veranlasste, am nächsten Tag zu fliehen, wobei sie ihr ganzes Hab und Gut zurückließen.

Obwohl es der Familie nach einer langen Reise gelang, in ihre Stadt zurückzukehren, verschlechterte sich der Gesundheitszustand eines weiblichen Familienmitglieds auf dem Fluchtweg, und sie starb tragischerweise bei ihrer Ankunft zu Hause.

In Muzaffarnagar lieh sich ein Vater 10.000 Rupien von einem örtlichen Zuckerrohrfabrikbesitzer, um die medizinische Behandlung seines kleinen Sohnes zu finanzieren, der 2021 bei einem Verkehrsunfall verletzt worden war. Im Jahr 2023, als der Kredit nicht zurückgezahlt wurde, zwang der Fabrikbesitzer den Vater, seine Frau und ihre fünf Kinder, in der Fabrik zu leben und für ihn zu arbeiten, wobei er im Gegenzug eine monatliche Zahlung von 45.000 Rupien versprach.

Vom 16. August 2023 bis zum 31. Mai 2024 verrichteten auch die beiden ältesten Kinder diese Arbeit. Als sie am Ende der Saison jedoch nach ihrem Lohn fragten, behauptete der Besitzer, das ganze Geld sei für ihren Lebensunterhalt aufgewendet worden, sodass nur 45.000 Rupien übrig blieben, die später ausgezahlt würden. Als die Familie ihre Absicht bekundete, nach Hause zurückzukehren, wurden ihre Habseligkeiten beschlagnahmt.

Monate später brachte der Besitzer sie gewaltsam zurück in die Fabrik, und sie mussten bis April 2025 nicht nur in der Fabrik, sondern auch an anderen Orten arbeiten. Während dieser Zeit waren sie Hunger, körperlichem Missbrauch und Misshandlungen ausgesetzt, insbesondere die Ehefrau des Schuldners, und wurden schließlich entlassen, ohne den ihnen zustehenden Lohn erhalten zu haben.

Es könnten zahlreiche weitere Beispiele angeführt werden, da Organisationen, die in diesem Sektor tätig sind, über umfangreiche Dokumentation solcher Fälle verfügen. In den drei genannten Fällen wurden weder die Aussagen der Opfer aufgezeichnet noch wurden ihnen Freigabebescheinigungen ausgestellt noch ihre Gehälter ausgezahlt, und es wurden keine Ermittlungen oder Maßnahmen gegen die Täterschaft eingeleitet.

Das Visionsdokument der Unionsregierung besagt, dass „der Prozess der Bestrafung verstärkt werden muss, um neue Formen der Knechtschaft zu verhindern und sicherzustellen, dass alle Täter zur Rechenschaft gezogen werden“. Das Versäumnis, Aussagen zu dokumentieren, die Opfer als Zwangsarbeiter*innen anzuerkennen und Freigabebescheinigungen auszustellen, führt zu großen Problemen und behindert den Zugang der Opfer zur Rehabilitationshilfe.

„Die Bezirksverwaltung stellt häufig keine Freigabebescheinigungen aus“

Die von Premierminister Narendra Modi geführte Unionsregierung hat ein Rehabilitationsprogramm für Schuldknechtschaft eingerichtet, das eine sofortige finanzielle Unterstützung von 30.000 Rupien für die Geretteten vorsieht. Je nach Kategorie der Arbeiter*innen und dem Ausmaß der Ausbeutung, wird ihnen eine zusätzliche Rehabilitationsunterstützung in Höhe von 100.000, 200.000 und 300.000 Rupien zur Verfügung gestellt, sofern die Schuldknechtschaft bescheinigt wird.

Dies kann jedoch nur erfolgen, wenn das Landgericht oder Richter der Unterbezirke die Zwangsarbeiter*innen identifiziert und Freigabebescheinigungen ausstellt.

Nirmal Gorana, der Vorsitzende des National Campaign Committee for Eradication of Bonded Labour, einer Organisation, die sich auf nationaler Ebene der Identifizierung, Rettung und Rehabilitation von Zwangsarbeiter*innen in der Schuldknechtschaft verschrieben hat, sagte The Wire, dass die Identifizierung dieser Zwangsarbeiter*innen für Regierungsbehörden keine Priorität hat und die Bezirksverwaltung häufig keine Freigabebescheinigungen ausstellt.

Die jüngsten Daten, die dem Parlament vorgelegt wurden, deuten darauf hin, dass im Geschäftsjahr 2023-24 weniger als 500 Zwangsarbeiter*innen in Schuldknechtschaft rehabilitiert wurden. Dabei hatte die Zentralregierung 2016 das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 18.400.000 Zwangsarbeiter*innen zu identifizieren, zu befreien und zu rehabilitieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Regierung jährlich etwa 1.314.000 Zwangsarbeiter*innen rehabilitieren. Darüber hinaus zeigen die Informationen, die das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung am 5. August 2024 als Antwort auf Anfragen in der Lok Sabha veröffentlicht hat, einen stetigen Rückgang der jährlichen Zahl der rehabilitierten Arbeiter*innen in Schuldknechtschaft.

Outlook berichtete im August 2024 unter Bezugnahme des Forschungsinstituts RTI, dass die Rehabilitationsrate für Zwangsarbeiter*innen in den letzten drei Jahren um etwa 80 Prozent gesunken ist, wobei durchschnittlich nur gerade 900 Arbeiter*innen pro Jahr rehabilitiert werden. Die begleitenden Daten zeigen, dass im Zeitraum zwischen 2023-24 nur 468 Arbeiter*innen rehabilitiert wurden.

Die Zentralregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Zwangsarbeiter*innen unter Schuldknechtschaft innerhalb von sieben Jahren zu halbieren, wie ihr Visionsdokument von 2016 darlegte. Die aktuellen Trends deuten jedoch darauf hin, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Laut einem IndiaSpend report aus dem Vorjahr werden bis 2030 nur zwei Prozent des Ziels erreicht, sofern die Regierung so weitermacht wie bisher.

Unionsregierung überträgt die Verantwortung auf die Bundesstaaten

Obwohl die Zentralregierung ihre Ziele nicht erreicht hat, kann sie sich aufgrund von Abschnitt 13 des Bonded Labour System (Abolition) Act von 1976 der Rechenschaftspflicht entziehen, der vorschreibt, dass die Landesregierung in jedem Bezirk und seinen Unterbezirken ein Überwachungskomitee einrichten muss, wenn dies als notwendig erachtet wird. Dieser Ausschuss hat die Aufgabe, den Bezirksrichter oder einen bevollmächtigten Beamten bei der wirksamen Durchsetzung des Gesetzes zu beraten.

Darüber hinaus hat das Komitee zum Ziel, die wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung der freigelassenen Zwangsarbeiter*innen zu erleichtern. Die Zentralregierung verwaltet das Rehabilitationsprogramm ausschließlich über das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung, das die Landesregierungen bei der Rehabilitation unterstützt. Es ist wichtig hervorzuheben, dass dieses Programm bedarfsorientiert arbeitet.

Folglich kann die Zentralregierung, wenn die Ziele nicht erreicht werden, die Verantwortung auf die regionalen Regierungen abwälzen.

Wer gilt als Zwangsarbeiter*in in Schuldknechtschaft?

Ein Bericht der Global Commission on Modern Slavery and Human Trafficking weist darauf hin, dass dieses Verbrechen vor allem Einzelpersonen und Gruppen betrifft, die bereits benachteiligt, marginalisiert und diskriminiert sind. Eine Forschungsstudie von Javed Alam Khan mit dem Titel „Assessing Budgetary Priorities for the Rehabilitation of Bonded Labour“, die im Jahr 2018 durchgeführt wurde, zeigt, dass etwa 10 Prozent der gesamten indischen Erwerbsbevölkerung in Schuldknechtschaft arbeitet.

Unter denen, die rehabilitiert wurden, gehören 83 Prozent den Gemeinschaften der Scheduled Caste oder Scheduled Tribe an.

Auf seine Erfahrungen zurückblickend stellt Gorana fest, dass die Mehrheit der Zwangsarbeiter*innen Dalits, Stammesangehörige und Angehörige rückständiger Klassen sind, und erklärt, dass er noch keinen Schuldknecht aus den oberen Kasten getroffen hat.

Gorana führt diese Situation vor allem auf den Mangel an Bildung und Ressourcen unter Dalits, Stammesangehörigen und rückständigen Klassen zurück. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Praxis der Schuldknechtschaft ein deutlicher Indikator für wirtschaftliche Ausbeutung ist und ein Spiegelbild eines Sozialsystems ist, in dem Armut, Kaste und Ungleichheit die Ausbeutung nur weiter fördern.

Übersetzt aus dem Hindi Original – zuerst veröffentlicht auf The Wire Hindi – von Naushin Rehman.

Foto: The Wire

Available in
EnglishSpanishPortuguese (Brazil)GermanFrenchItalian (Standard)Arabic
Author
Ankit Raj
Translators
Nathalie Guizilin and Open Language Initiative
Date
30.05.2025
Source
The WireOriginal article🔗
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