Economy

Ungarische Gewerkschaften kämpfen gegen die Weigerung der Orban-Regierung, die Arbeitsbedingungen von Lehrenden zu verbessern

Zwei große ungarische Gewerkschaften schließen sich zusammen, um angesichts der anhaltenden Untätigkeit der Regierung vier neue Forderungen zu formulieren.
Seitdem sie ihre Streikpläne aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben haben, haben sich die Arbeitsbedingungen der Lehrenden in Ungarn weiter verschlechtert. Jetzt werden die beiden größten ungarischen Gewerkschaften ihre Aktionen koordinieren, um die Orban-Regierung auf niedrige Löhne, Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung aufmerksam zu machen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Internationalen Lehrenden tag am Dienstag, den 5. Oktober, nahmen die beiden großen Lehrenden-Gewerkschaften in Ungarn – Pedagógusok Szakszervezete (PSZ) und Pedagógusok Demokratikus Szakszervezete, (PDSZ) – wegen des Lehrkräftemangels, der niedrigen Löhne und der untragbar hohen Arbeitsbelastung gemeinsam Streikverhandlungen mit der Regierung auf. 

Zsuzsa Szabó, Vorsitzende der PSZ, erklärte auf der Veranstaltung, dass sie seit 2018 vergeblich die Alarmglocken wegen Lohnspannungen und Personalmangel hat läuten lassen. Sie erinnerte daran, dass die Streikgespräche im März 2020 aufgenommen wurden, kurz bevor Ungarn von der ersten Welle der COVID-19-Pandemie getroffen wurde. Das Streikkomitee war der Ansicht, dass der Schutz von Leben und Gesundheit wichtiger sei, und setzte die Verhandlungen aus. 

Da die Regierung sich immer noch weigert, die von der Gewerkschaft aufgezeigten Probleme anzugehen, ist Szabó der Ansicht, dass es an der Zeit ist, ihre Forderungen neu zu formulieren – und zwar diesmal in Zusammenarbeit mit der anderen großen Gewerkschaft des Landes. Die PSZ-Vorsitzende sagte, dass derzeit 12.000 Personen im Lehrkörper fehlten, ohne diejenigen mitzuzählen, die aufgrund der Pandemie ersetzt werden mussten oder müssen. Sie betonte, dass die Lehrenden in einem derart überlasteten Zustand nicht in der Lage seien, den Kindern den Unterricht zu geben, auf den sie ein Recht hätten.

Die PSZ beschloss daher, ihr Streikkomitee mit der PDSZ zusammenzulegen, da sie das Thema für so wichtig hielten. Ein koordiniertes Vorgehen sei "notwendig, um von der Regierung ein Ergebnis zu erhalten".

Erzsébet Nagy, Mitglied des nationalen Exekutivkomitees der PDSZ, fügte hinzu, dass ein koordiniertes Vorgehen auch deshalb wichtig sei, weil die Gehälter der Lehrkräfte immer noch auf der Grundlage des Mindestlohns von 2014 (101.500 HUF = 283 EUR / 326 USD) berechnet würden. Außerdem wurde 2015 die Garantie, dass die Gehälter der Lehrenden ihren realen Wert behalten, abgeschafft. 

Nach Berechnungen der PSZ hat die Regierung jedem Lehrenden zwischen 2015 und Oktober 2021, bezogen auf den Mindestlohn 2021 (167.400 HUF = 465 EUR / 536 USD), durchschnittlich 17 Monatsgehälter weggenommen. Zu Beginn des Schuljahres führte die PDSZ eine Umfrage unter den Beschäftigten des öffentlichen Bildungswesens zum Thema Lebensunterhalt und finanzielle Sicherheit durch. Aus den Antworten der 2525 Teilnehmenden ging hervor, dass ein beträchtlicher Teil der Lehrkräfte in irgendeiner Form unter finanziellen Schwierigkeiten leidet und dass die Lehrkräfte im Allgemeinen mit ihrer Bezahlung unzufrieden sind.

Nagy erinnerte daran, dass es vage Versprechungen über eine mögliche Lohnerhöhung gegeben habe, aber keine konkreten Entscheidungen getroffen worden seien – und deshalb sei es wichtig, ihre Forderungen an die Regierung neu zu formulieren. Katalin Novák – Ministerin ohne Portfolio für Familienangelegenheiten – sagte kürzlich, dass sie es für unrealistisch halte, die Berechnungsgrundlage für die Gehälter an den Mindestlohn zu koppeln, obwohl auch sie eine Lohnerhöhung für notwendig halte. Gergely Gulyás – Minister im Büro des Premierministers – deutete bei der Regierungskonferenz am 29. September eine kleine Gehaltserhöhung für Lehrende an, nannte aber keine konkreten Einzelheiten.

Nagy betonte auch die Bedeutung der Einrichtung eines gemeinsamen Streikkomitees, da die Regierung gesetzlich verpflichtet ist, Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen.

Szabó und Nagy stellten einen gemeinsamen Vier-Punkte-Forderungskatalog von PSZ und PDSZ vor:

  1. Die Bemessungsgrundlage für das Grundgehalt der Lehrenden sollte der aktuelle Mindestlohn sein, der rückwirkend ab dem 1. September gezahlt wird. 
  2. Die garantierte Bezahlung für nicht-lehrendes Personal im Bildungsbereich sollte ebenfalls rückwirkend zum 1. September erhöht werden. 
  3. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte für Bildung und Unterricht sollte ab dem 1. September 2021 22 Stunden pro Woche nicht überschreiten. 
  4. Pädagogische und sonderpädagogische Assistierende – die derzeit 40 Stunden pro Woche für ihre Aufgaben aufwenden – sollen maximal 35 Stunden pro Woche beschäftigt werden und wie die Lehrende 5 Stunden pro Woche außerhalb der Einrichtung zur Regeneration und Vorbereitung erhalten

Nagy und Szabó übermittelten ihre Forderungen nach der Pressekonferenz schriftlich an Premierminister Viktor Orbán. Auf eine Frage hin wiesen sie darauf hin, dass die Regierung gesetzlich verpflichtet sei, innerhalb von fünf Tagen Streikverhandlungspartner zu benennen. Szabó erwähnte auch, dass ein Brief an die Parlamentsparteien geschickt worden sei, in dem diese aufgefordert wurden, ein Angebot für die Beschäftigten im Bildungswesen zu machen.

Auf die Frage, was sie tun würden, wenn eine Gehaltserhöhung für Lehrkräfte nicht an den Mindestlohn gekoppelt sei, antwortete Nagy, dass dies von dem Angebot abhänge, sie aber darauf bestehen würden, dass den Lehrkräften in Zukunft eine Art Beförderung garantiert werde.

Szabó fügte hinzu, dass sie ein eingebautes System anstrebten, damit sie nicht jedes Jahr eine Erhöhung fordern müssten. Tamás Totyik, stellvertretender Vorsitzender der PSZ, betonte, dass es ihr Ziel sei, zu verhindern, dass Lehrkräfte unter einer beliebigen Regierung weniger als den Mindestlohn oder einen garantierten Mindestlohn verdienen.

Die Pressekonferenz wurde von Mérce live übertragen. Sie bleibt auf der Facebook-Seite von Mérce verfügbar.

Bence Bogatin ist Redakteur bei Mercé, einer ungarischen Nachrichtenseite, die 2017 angesichts des Aufstiegs der Rechtsextremen im Land gegründet wurde. 

Foto: PDSZ - Pedagógusok Demokratikus Szakszervezete, Facebook

Available in
EnglishGermanHungarianSpanishItalian (Standard)Portuguese (Brazil)
Author
Bogatin Bence
Translator
Nicole Millow
Date
19.11.2021
Source
Original article🔗
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