Anmerkung der Redaktion: Die neoliberalen Agrarreformen des indischen Premierministers Narendra Modi, die im September 2020 in Kraft traten, lösten die größte Mobilisierung von Arbeitenden gegen seine Führung aus, die mit einer nachhaltigen, aktionsorientierten Kampagne von den Gewerkschaften vorangetrieben wurde. Zu diesen Aktionen gehörten Märsche, Blockaden, Protestcamps, Paraden und der Kampf gegen Polizeigewalt. Die entscheidende Rolle der Frauen bei den Protesten wurde in einem früheren Artikel im Syndikat hervorgehoben, sowie in einem Foto-Essay von Rohit Lohia, das den Massenwiderstand im Punjab, der als Zentrum der Bewegung gilt, darstellt. Im November 2021 wurden die Gesetze aufgehoben und das Ergebnis wird als großer Sieg für die Farmer und ihre harte Arbeit bei der Mobilisierung einer Massenbewegung betrachtet.
Neu Delhi: In einer im Fernsehen übertragenen “Ansprache an die Nation” am 19. November kündigte Premierminister Narendra Modi an, dass die drei umstrittenen Landwirtschaftsgesetze, die im September 2020 verabschiedet wurden, von der Unionsregierung aufgehoben werden. Landwirt*innen im ganzen Land haben schon vor der Verabschiedung dieser Gesetze gegen sie protestiert. Sie sind überzeugt, dass sie den Großunternehmen zugute kommen und den Landwirt*innen schaden werden.
Hunderte von Bäuer*innen kampierten seit November 2020 an den Grenzen von Delhi mit der Forderung, dass die Regierung den “Farmers' Produce Trade and Commerce (Promotion and Facilitation) Act, 2020”; “Farmers' (Empowerment and Protection) Agreement on Price Assurance and Farm Services Act, 2020”; und den “Essential Commodities (Amendment) Act, 2020” aufhebt. Nach Angaben der Gewerkschaften haben fast 700 Landwirt*innen bei den Protesten ihr Leben verloren.
Im Gegensatz zu den Behauptungen der BJP, dass nur Großbäuer*innen protestierten, ergab eine Studie, dass bei den Protesten auch jene in der Klein- und Grenzlandwirtschaft sowie Landlose ums Leben kamen.
Bevor er zur Sache kam, nahm sich Modi viel Zeit, um zu behaupten, seine Regierung habe die indischen Landwirte*innen gefördert und “alles Mögliche” getan, um ihnen zu helfen. Nachdem er zehn Minuten damit verbracht hatte, die angeblichen Errungenschaften seiner Regierung zu preisen, ging er dazu über, die drei umstrittenen Landwirtschaftsgesetze zu loben, die seine Regierung eingeführt hatte.
Anschließend ging er auf die Proteste ein. “Es ist uns wichtig, dass es uns nicht gelungen ist, alle Landwirt*innen von den Vorteilen dieser Gesetze zu überzeugen. Wir haben es immer wieder versucht, über verschiedene Wege, und wir haben Gespräche geführt. Wir haben ihre Argumente gehört und sie verstanden. Wir waren sogar bereit, einige Bestimmungen zu ändern und diese Gesetze für zwei Jahre auszusetzen. Die Angelegenheit ist auch vor dem Obersten Gerichtshof gelandet.”
“Ich entschuldige mich bei der Nation, denn es scheint bei unseren Bemühungen etwas gefehlt zu haben, weshalb wir nicht in der Lage waren, einigen Landwirt*innen die Wahrheit zu erklären. Heute ist Guru Nanak Jayanti und nicht der Zeitpunkt, jemandem die Schuld zu geben. Ich möchte allen mitteilen, dass wir beschlossen haben, diese Gesetze aufzuheben. Ich hoffe, dass die protestierenden Bauern jetzt in ihre Häuser und auf ihre Farmen zurückkehren werden, damit wir einen Neuanfang starten können.”
Zu Beginn seiner Rede legte Modi großen Wert darauf, seine Nähe zu den Landwirt*innen zu betonen. “In den mehr als fünf Jahrzehnten meines Lebens habe ich den Kampf der Landwirte aus nächster Nähe miterlebt. Deshalb hat meine Regierung, nachdem ich Premierminister wurde, den Belangen der Farmer Vorrang eingeräumt.”
“Die meisten Menschen wissen nicht, dass die meisten Landwirte in Indien Kleinbauern sind, die weniger als zwei Hektar Land besitzen. Ihr ganzes Leben basiert auf diesem kleinen Stück Land. So ernähren sie sich und ihre Familien. Durch Vererbung über Generationen hinweg werden diese Flächen noch kleiner. Um den Kleinbauern zu helfen, haben wir an beej, beema, baazar, bachat gearbeitet. Wir haben den Landwirten Bodengesundheitskarten, Versicherungen und andere Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Die landwirtschaftliche Produktion ist auch dank der Bodengesundheitskarten gestiegen.”
Die Modi-Regierung konnte die Proteste der Landwirt*innen nicht ignorieren. Über ein Jahr lang kampierten die Farmer an den Grenzen Delhis und machten deutlich, dass sie nur durch eine vollständige Aufhebung der Gesetze besänftigt werden könnten. Auch Oppositionsparteien aus dem ganzen Land haben die Proteste der Bäuer*innen unterstützt. Die Landwirt*innen hatten außerdem beschlossen, die Angelegenheit zu einem Wahlkampfthema zu machen, und führten im Vorfeld der Parlamentswahlen eine aktive Kampagne gegen die Bharatiya Janata Partei.
Die Bundesstaaten, in denen Anfang nächsten Jahres gewählt wird – darunter Punjab und Uttar Pradesh –, standen im Mittelpunkt der Proteste. Die meisten Wahlbeobachter*innen gingen davon aus, dass die Landwirtschaftsgesetze Auswirkungen auf die Wähler*innen in Teilen dieser Staaten haben würden.
Die Samyukt Kisan Morcha (SKM), eine Dachorganisation von Bäuer*innenverbänden, die an der Spitze der Proteste steht, begrüßte diesen Schritt. Gleichzeitig erinnerte sie den Premierminister daran, dass es bei der Bewegung nicht nur um die Aufhebung der Agrargesetze geht, sondern auch um die Forderung nach angemessenen Preisen für die Erzeugnisse.
Die SKM fragte auch, warum diese Entscheidung so lange gedauert habe, wo doch Landwirt*innen bei den Protesten ihr Leben verloren hätten. In ihrer Pressemitteilung heißt es:
“Samyukt Kisan Morcha begrüßt diese Entscheidung und wird abwarten, bis die Ankündigung durch die üblichen parlamentarischen Verfahren in Kraft tritt. Wenn dies geschieht, wird es ein historischer Sieg des einjährigen Kampfes der indischen Bäuer*innen sein. Allerdings haben fast 700 Farmer in diesem Kampf ihr Leben geopfert. Die Hartnäckigkeit der Zentralregierung ist verantwortlich für diese vermeidbaren Todesfälle, einschließlich der Morde in Lakhimpur Kheri.
Die SKM erinnert den Premierminister auch daran, dass die Landwirt*innen nicht nur für die Aufhebung der drei schwarzen Gesetze kämpfen, sondern auch für eine gesetzliche Garantie von einträglichen Preisen für alle landwirtschaftlichen Produkte und für alle Landwirt*innen. Diese wichtige Forderung ist noch nicht erfüllt. Das Gleiche gilt für die Rücknahme des Electricity Amendment Bill. Die SKM wird alle Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, bald seine Sitzung abhalten und weitere Entscheidungen bekannt geben.”
Foto: Randeep Maddoke, Wikimedia