Ägypten wird unter der Herrschaft El-Sisis kommenden Monat die Klimakonferenz COP27 ausrichten. Das passiert laut Amnesty inmitten einer “Menschenrechtskrise”.
Einer der Inhaftierten des Regimes ist der britische pro-demokratische Aktivist Alaa Abdel Fattah, der sich seit April im Hungerstreik befindet. Seine Familie ist in großer Sorge, dass er bald sterben könnte.
Trotz wachsender Unterdrückung durch das ägyptische Regime hat sich Großbritannien zunehmend angenähert. MI6-Chef Richard Moore traf Sisi Ende 2020 in Kairo, um “nachrichtendienstliche Zusammenarbeit” zu besprechen.
Hohe Beamtinnen des MI5 und MI6 bilden ägyptische Spioninnen jedes Jahr in der britischen Militärbasis nördlich von London aus.
Entwicklungsfinanzierung ist ein weiterer Weg, über den Großbritannien sich im Land einmischt. Die britischen Programmlinien für Ägypten legen den Fokus darauf, “öffentliche Institutionen in eigenständige Einrichtungen umzuwandeln und geschützte Sektoren für ausländische/private Investitionen zu öffnen”.
Das kostet jährlich rund 14 Millionen britische Pfund - davon kommen 98% aus dem Entwicklungsbudget Großbritanniens.
Der wirtschaftliche Teil des Programms, der rund vier Millionen britische Pfund pro Jahr kostet, soll in Ägyptens Wirtschaft “strukturelle Reformen implementieren”.
Das Programm wird in enger Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Regime ausgearbeitet - auch soll es Sisi bei seinen “Reformprioritäten” unterstützen.
Umgesetzt wird es mithilfe des Conflict, Security and Stability Fund (CSSF), einem Finanztopf zwischen den Regierungen, der das erklärte Ziel hat, “Unruhen und Konflikte, die die Interessen Großbritanniens gefährden könnten”, zu verhindern.
Die Ziele des Fonds werden vom nationalen Sicherheitsrat unter dem Vorsitz des britischen Premierministers ausgearbeitet. Ein parlamentarischer Ausschuss befand jedoch, dass der CSSF als “‘Schmiergeldkasse’ für Projekte genutzt wurde”, die “nicht im Sinne von Großbritanniens nationaler Sicherheit waren”.
Ägypten verfügt über viele begehrte Rohstoffe, die lange Zeit vom Staat und Militär kontrolliert wurden. Doch das Regime von Sisi drängt schon lange darauf, diese zu privatisieren.
Als das CSSF-Programm 2018 seinen Anfang nahm, nannte Ägypten 23 Staatsunternehmen, die privatisiert werden sollten. Dieses Jahr im Januar gab der ägyptische Planungsminister bekannt, dass das Land monatlich Anteile staatlicher Unternehmen verkaufen möchte.
Im Mai kündigte der ägyptische Premierminister Mostafa Madbouli an, eine weitere Reihe an staatlichen Unternehmen zu privatisieren. Madbouli legte Pläne vor, mit denen zehn Staatsunternehmen und zwei Unternehmen, die im Besitz der Armee stehen, dieses Jahr an die Börse gebracht werden sollen.
Zwei Projekte der Weltbank unterstützen Großbritannien dabei, die Privatisierung in Ägypten weiter anzukurbeln. Dabei ist das teuerste eine sogenannte “Strategiepartnerschaft” mit der Weltbank.
Das andere Projekt finanziert die International Finance Corporation (IFC), der privatwirtschaftliche Darlehenszweig der Weltbank, der weltweit die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen vorantreibt und Oligarch*innen unterstützt.
Der strategische Rahmen der Weltbank für Länderpartnerschaften wird von britischer Entwicklungsfinanzierung unterstützt und zielt darauf ab, “das wirtschaftliche Klima für private Investitionen zu verbessern”. Zusätzlich wird auf “Reformen für das Wirtschaftsklima, die das Vertrauen von Investor*innen steigern und eine breitere Teilnahme des Privatsektors ermöglichen”, gedrängt.
Die Weltbank wird, so der Strategierahmen, “grenzüberschreitende private Investitionen in Energie und Wasser anlocken”.
Das Programm für Ägypten scheint ein weiteres Beispiel dafür zu sein, wie britische Gelder für Entwicklungszusammenarbeit politisiert werden, um die Ziele des Staats und von Unternehmen unter dem Deckmantel der Selbstlosigkeit voranzutreiben. Gleichzeitig ist es ein gutes Beispiel für ein Phänomen, das neulich als “autoritärer Neoliberalismus” bezeichnet wurde: Die aufgezwungene großflächige Privatisierung durch von Großbritannien unterstützte Diktator*innen.
Großbritannien unterstützt die meisten autoritären Regime weltweit und nutzt seine diplomatische Macht und Entwicklungsfinanzierung, um seine Verbündeten zur Privatisierung von staatlichen Vermögenswerten zu überreden und den Weg für Investitionen britischer Unternehmen zu ebnen.
Großbritannien ist mit rund 50 Milliarden britischen Pfund einer der größten Investoren in Ägypten; auf dem Markt des Landes sind 2.000 britische Unternehmen tätig.
Seit Sisi an die Macht kam, hat die britische Regierung Unternehmen gezielt aufgefordert, sich in Ägypten zu engagieren und 2019 ein Forum für britische Investor*innen ins Leben gerufen, um Investitionen anzukurbeln.
Genau um diese Zeit nahmen unterdrückerische Maßnahmen zu. In diesem Jahr meldetet Human Rights Watch, dass Sisis “Sicherheitskräfte eine Welle an Bedrohungen, Gewalt und Verhaftungen gegen politische Gegner*innen, zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und viele andere, die moderate Kritik an der Regierung geübt haben, zu verantworten haben.”
British Petroleum (BP) ist seit fast 60 Jahren in Ägypten tätig und war damit bisher die erfolgreichste Investition Großbritanniens. Das Unternehmen sagt selbst aus, man sei zu “einem der Stützpfeiler für den Energiesektor des Landes geworden”.
Der britische Ölgigant, der enge Beziehungen zum Außenministerium und MI6 pflegt, hat über die vergangenen Jahrzehnte fast 40% des in Ägypten geförderten Öls produziert. Das Unternehmen steht außerdem aktuell für 50% des Gases im Land.
Der ehemalige MI6-Chef, Sir John Sawers, trat 2015 in den Vorstand von BP ein - nur ein Jahr nachdem er den Geheimdienst verließ. In den vier Folgejahren zahlte ihm das Unternehmen 699.000 Pfund.
BP gab 2015, ein Jahr nach der Machtübernahme durch Sisi, eine neue Investition von neun Milliarden Pfund in die Gasförderung im westlichen Nildelta bekannt, das fünf Gasfelder umfasst.
Das Unternehmen teilte mit, die Investition sei “eine Vertrauenserklärung in Ägyptens Wirtschaftsklima und Potential”.
Aktuell hält BP 83% der Anteile des Projekts, das 25% der ägyptischen Gasproduktion ausmacht.
Zum Zeitpunkt der Investition begann Sisi gerade, sich mittels brutaler Mittel stärker an die Macht zu klammern. “Ägyptens Menschenrechtskrise, die schlimmste in der modernen Geschichte des Landes, setzte sich 2014 unvermindert fort,” so Human Rights Watch.
Das britische Außenministerium erklärte gegenüber Declassified, man spreche Menschenrechtsverletzungen regelmäßig im Austausch mit Ägypten an, wolle allerdings keinen offiziellen Kommentar abgeben.
Matt Kennard ist leitender Investigativjournalist bei Declassified UK. Er war Fellow und später Direktor des Centre for Investigative Journalism in London. Folgt ihm auf Twitter @kennardmatt