Politics

G7 und die Unternehmensinteressen in den Nahrungsmittelsystemen

Die mächtigsten Nationen der Welt lassen Hunger und Ungleichheit fortbestehen, indem sie die Ausplünderung und die Zerstörung des Planeten beschleunigen, während die Landbevölkerung darum kämpft, sich aus ihrem imperialistischen Griff zu befreien.
Vom „Global People's Summit for Just, Equitable, Healthy, and Sustainable Food Systems“ bis hin zum „Global Peoples' Caravan for Food, Land, and Climate Justice“ mobilisieren und solidarisieren sich Gemeinschaften und Bewegungen weiterhin für ihre gemeinsamen Kämpfe: Dazu zählen Bäuer*innen ohne Grundbesitz, Kleinbäuer*innen, indigene Völker, mittellose Fischereigemeinschaften, Frauen und Jugendliche sowie andere Sektoren aus ländlichen Gebieten, und diejenigen, die ihre Rechte und Forderungen unterstützen.
Vom „Global People's Summit for Just, Equitable, Healthy, and Sustainable Food Systems“ bis hin zum „Global Peoples' Caravan for Food, Land, and Climate Justice“ mobilisieren und solidarisieren sich Gemeinschaften und Bewegungen weiterhin für ihre gemeinsamen Kämpfe: Dazu zählen Bäuer*innen ohne Grundbesitz, Kleinbäuer*innen, indigene Völker, mittellose Fischereigemeinschaften, Frauen und Jugendliche sowie andere Sektoren aus ländlichen Gebieten, und diejenigen, die ihre Rechte und Forderungen unterstützen.

Vor dem „G7 Hiroshima Summit“ (Japan, 19.–21. Mai) hielt die Gruppe mehrere Ministertreffen ab, darunter ein Treffen der Landwirtschaftsminister*innen (Agriculture Ministers’ Meeting) am 22. und 23. April.

Die „International Group of Seven“ oder G7 ist ein zwischenstaatliches politisches Forum, dem die traditionellen Zentren des globalen Monopolkapitalismus angehören — Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, das Vereinigte Königreich (UK) und die Vereinigten Staaten (US).

Ihr jährliches Gipfeltreffen ist eine hochkarätige Tagung, auf der diese mächtigen Länder ihre Maßnahmen zu wichtigen globalen Fragen erörtern und koordinieren. Vor dem eigentlichen Gipfeltreffen werden Ministertreffen organisiert, um zu diskutieren und Einigkeit unter den G7-Mitgliedern zu einer Reihe von Themen herzustellen.

Um die Agenda der G7 zum Thema Ernährung und Landwirtschaft zu verstehen, muss man sich also die Ergebnisse des Treffens der Landwirtschaftsminister*innen ansehen. Diese Ergebnisse sind im "2023 G7 Agriculture Ministers’ Communiqué" und in dessen Anhang "Miyazaki Actions" zusammengefasst.

Es muss festgehalten werden, wie die G7 in diesen Dokumenten die Ursachen der heutigen globalen Nahrungsmittelkrise erklärt und dabei ihre großen Agrarkonzerne und die Agrar- und Ernährungsprogramme sowie Ernährungsrichtlinien, die sie der Welt aufgedrückt haben, aus der Verantwortung genommen haben.

Zunächst machten sie die "illegale, unprovozierte und ungerechtfertigte" russische Invasion in der Ukraine für die verheerenden Auswirkungen der Krise auf die weltweite Ernährungssicherheit verantwortlich. Die wahren Ursachen des Russland-Ukraine-Konflikts und die Rolle der G7-Nationen, insbesondere der USA, sind durchaus erwähnenswert. Jedoch haben sich Hunger und Ernährungsunsicherheit bereits durch die neoliberale Umstrukturierung der Agrar- und Ernährungswirtschaft verschlimmert, die die G7-Länder und die von ihnen kontrollierten Institutionen in den letzten vier Jahrzehnten betrieben haben.

Zweitens wiesen die G7 auf die längerfristigen Herausforderungen für die weltweite Ernährungssicherheit hin, insbesondere den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt. Wie die Kriege, die Konflikte und die neoliberale Globalisierung, die die G7-Länder der Welt für ihre imperialistische Agenda aufzwingen, sind auch die Klimakrise und die Zerstörung des Planeten hauptsächlich auf die rücksichtslose Plünderung der Ressourcen der Erde durch die Monopolkonzerne zurückzuführen, die die Volkswirtschaften der G7-Länder vorantreiben.

Aus offensichtlichen Gründen betrachten die G7-Landwirtschaftsminister*innen, die die Interessen der großen Agrarindustrie und der sie finanzierenden Finanzoligarchen vertreten, die globale Nahrungsmittelkrise nicht aus dem Blickwinkel der ausgeplünderten, verarmten und abgewirtschafteten Gemeinschaften. Es ist daher vorhersehbar, dass die Maßnahmen, die die G7 versprochen haben, zu ergreifen, die Monopolkontrolle der Konzerne über die globalen Nahrungsmittelsysteme ausweiten und festigen werden. Dadurch werden Hunger und Ernährungsunsicherheit, die Klimakrise und die Zerstörung der biologischen Vielfalt weiter vorangetrieben.

Die G7 betonte beispielsweise, dass eine Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme notwendig sind, die widerstandsfähiger und nachhaltiger sind. Diese sollten unter anderem auf den Ergebnissen des „UN Food Systems Summit 2021“ (UNFSS) aufbauen. Gesinnungsgemeinschaften der Landbevölkerung und Befürworter der Ernährungssouveränität haben den UNFSS scharf dafür kritisiert, dass er mit der Unternehmensagenda im Bereich der Lebensmittelsysteme hausieren gehe — dieselbe politische Richtung, die auch die G7 verfolgt, wie aus den Ergebnissen ihres Agrarministertreffens hervorgeht.

In ihrem Kommuniqué bekräftigten die G7-Agrarminister*innen das Engagement ihrer Länder für die Liberalisierung des Lebensmittel- und Agrarsektors im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), angeblich für die Verwirklichung der „Sustainable Development Goals“ (SDGs) im Bereich Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit.

Das WTO-Agrarabkommen (AOA), das durch die Bemühungen der G7-Länder und ihrer Monopolkonzerne zustande kam, hat die Fähigkeit vieler armer Länder, Lebensmittel für den Bedarf ihrer Bevölkerung zu produzieren, systematisch zerstört.

Nach Angaben der „Food and Agriculture Organization“ (FAO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) hat sich das Handelsdefizit der am wenigsten entwickelten Länder der Welt (LDC = least developed countries) im Rahmen der WTO versiebenfacht (1995 bis 2020). In den letzten 25 Jahren ist das Handelsdefizit der LDC jährlich um fast 10 Prozent gestiegen.  Dies zeigt, dass die ärmsten Länder zu sehr von Lebensmittelimporten abhängig geworden sind, was auf Kosten ihrer Ernährungssicherheit geht. Nach Angaben der „UN Conference on Trade and Development“ (UNCTAD, UN-Konferenz für Handel und Entwicklung) importiert Afrika 85 Prozent seines Nahrungsmittelbedarfs.

Die neoliberale Umstrukturierung der Lebensmittel- und Landwirtschaft im Rahmen der WTO und anderer imperialistische Programme, z. B. die „Structural Adjustment Programs“ für die Landwirtschaft (SAPs, Strukturanpassungsprogramme), hat die Ernährungsunsicherheit im globalen Süden zunehmend verstärkt. Dies wird durch die COVID-19-Pandemie, den Russland-Ukraine-Konflikt und die sich ständig verschärfende Klimakrise noch verschlimmert.

In Anlehnung an die UNFSS und andere globale Plattformen, die von den unternehmerischen Monopolinteressen der G7 dominiert werden, wie das World Economic Forum (WEF, Weltwirtschaftsforum) und seine „New Vision for Agriculture“, haben die G7-Landwirtschaftsminister*innen erneut das falsche Narrativ verbreitet, dass der Schlüssel zur Umgestaltung der Nahrungsmittelsysteme inmitten der Klimakrise Innovationen und Investitionen unter der Führung des Unternehmenssektors erfordere.

Mehrere Innovationen und Investitionen der Großindustrie, die von der G7 ausdrücklich befürwortet wurden, wie etwa naturbasierte Lösungen (NBS = nature-based solutions) und die Digitalisierung der Landwirtschaft, führen zu weiteren Vertreibungen und zur Marginalisierung ländlicher Gemeinschaften weltweit. NBS-Projekte und -Investitionen werden zwar als Klimaschutzmaßnahmen angepriesen, sind aber in Wirklichkeit Landraub im Namen der Natur. Die Digitalisierung hingegen ist eine Hightech-Methode zur Ausweitung und Festigung der unternehmerischen Monopolkontrolle über die Agrar- und Ernährungssysteme, bei der die größten Technologieunternehmen der Welt mit der Agrarindustrie zusammenarbeiten.

Die G7 als Kollektiv der führenden imperialistischen Mächte der Welt wird sich aktiv für einen weiteren Multistakeholder-Governance-Ansatz zur Umgestaltung der Lebensmittelsysteme einsetzen, so wie die UNFSS konzipiert und umgesetzt wurde. Ein Teil des Kommuniqués lautete:

“Es gibt eine wachsende Dynamik im Privatsektor, um zur Transformation der Landwirtschaft und der Lebensmittelsysteme beizutragen. Wir müssen diese Dynamik katalysieren und verpflichten uns, die Zusammenarbeit zwischen der Regierung, dem Privatsektor, den Landwirt*innen und allen anderen Akteur*innen weiter zu verbessern ... [und] die Beteiligung des Privatsektors, mit seinem Wissen und seiner Erfahrung, an den Bemühungen der lokalen Gemeinschaften um die Umgestaltung ihrer Landwirtschafts- und Lebensmittelsysteme zu fördern."

Ein solches Multistakeholder-System untergräbt weiter die Souveränität der Nationen und Völker, über ihre Lebensmittelsysteme zu bestimmen. Es legitimiert gleichzeitig die wachsende Rolle und den Einfluss von Unternehmensmonopolen in globalen Regierungsgremien wie der UNO. Wenn dies unentdeckt und unangefochten bleibt, werden die Großkonzerne noch mehr Macht erhalten, um die Entwicklung und die Zukunft der Welt auf Kosten der Menschen und des Planeten zu bestimmen.

Aber es gibt Hoffnung, denn die Volksbewegungen, die Befürworter*innen der Ernährungssouveränität, die Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit und andere wehren sich gegen die imperialistische Agenda der Agrar- und Ernährungssysteme.

Vom „Global People’s Summit for Just, Equitable, Healthy, and Sustainable Food Systems“ bis hin zum „Global Peoples’ Caravan for Food, Land, and Climate Justice“ mobilisieren und solidarisieren sich Gemeinschaften und Bewegungen weiterhin für ihre gemeinsamen Kämpfe: Dazu zählen Bäuer*innen ohne Grundbesitz, Kleinbäuer*innen, indigene Völker, mittellose Fischereigemeinschaften, Frauen und Jugendliche sowie andere Sektoren aus ländlichen Gebieten, und diejenigen, die ihre Rechte und Forderungen unterstützen.

Arnold Padilla ist der Koordinator des Programms für Ernährungssouveränität für PAN Asia Pacific.

Available in
EnglishGerman
Author
Arnold Padilla
Translators
Mona Jakob and Daniel Kopp
Date
30.05.2023
Source
Original article🔗
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