Briefing

PI-Rundbrief | Nr. 7 | Hände weg von Haiti

Die USA wollen erneut in Haiti intervenieren. Die haitianische Souveränität und Unabhängigkeit muss geschützt werden.
Im 7. PI-Rundbrief 2024 berichten wir über die Kampagne der Progressiven Internationale, mit der kenianische Polizeikräfte von den Straßen Haitis ferngehalten werden sollen. Wenn du unsere Rundbriefe in deinem Posteingang erhalten möchtest, kannst du dich über das Formular am Ende dieser Seite anmelden.

Im Jahr 1804 startete das Volk von Haiti eine Revolution, die die Welt erschütterte. Die Haitianerinnen und Haitianer besiegten die französischen Kolonisatoren, befreiten versklavte Menschen und gründeten die erste Schwarze Republik der Welt.

In den zwei Jahrhunderten seither wurde die haitianische Revolution jedoch mehrfach brutal angegriffen: mit Sanktionen, Invasionen und wiederholten Regimewechseln durch westliche Mächte. Die Grundversorgung im ganzen Land wurde immer wieder lahmgelegt; und die Forderungen der haitianischen Arbeiter*innen nach Veränderung wurden mit Knüppeln und Schüssen beantwortet.

Aktuell bereiten die USA erneut eine militärische Maßnahme vor, um US-amerikanische Interessen in Haiti zu schützen. Diesmal handelt es sich aber nicht um eine direkte Intervention. Stattdessen geben die Vereinigten Staaten 200 Millionen Dollar aus, um ihre Bemühungen für den Regime Change durch eine “Multinationale Sicherheitsunterstützungsmission” zu verschleiern, die von 1.000 kenianischen Polizisten geleitet wird. So werden Erfüllungsgehilfen in ein Land gesendet, dessen lokale Sprache sie nicht einmal sprechen.

Anders ausgedrückt: die USA schicken Afrikaner, um 12.000 Kilometer entfernt Afro-Nachkommen abzuschlachten - für einen relativ geringen Preis, der an den kenianischen Präsidenten gezahlt wird.

Es überrascht nicht, dass das Vorhaben in Kenia auf großen Widerstand stößt. Die Oppositionspartei Orange Democratic Movement erklärte, die geplante Mission untergrabe “den Geist des Panafrikanismus”. Die Kommunistische Partei Kenias hat angekündigt, “auf den Straßen von Nairobi für unsere Brüder und Schwestern in Haiti zu kämpfen”. PI-Ratsmitglied Gacheke Gachihi vom Mathare Social Justice Centre warnte, die USA wollten kenianische Institutionen offensichtlich zu “Helfershelfern des Imperialismus” machen.

Der Oberste Gerichtshof Kenias hat bereits versucht, Kenias Rolle bei der Intervention zu blockieren, indem er sie für “verfassungswidrig, illegal und ungültig” erklärte. Präsident William Ruto hingegen will die Entscheidung des Gerichts ignorieren und den Einsatz fortsetzen - mit der vollen Rückendeckung des US-Außenministeriums.

Auch in Haiti selbst wächst der Widerstand. Die Straßen des Landes sind voll mit Bürgerinnen und Bürgern, die gegen die nicht gewählte Regierung von Ariel Henry protestieren, der nach der Ermordung des vorherigen Präsidenten die Macht übernommen hat. Erst diesen Monat hat er die eigentlich fälligen Wahlen erneut verschoben.

Henry hat die Intervention angefordert, um gegen Banden vorzugehen, die de facto Teile des Landes kontrollieren. Laut dem Haitianischen Demokratischen Komitee würde die Intervention jedoch nur “die politischen Anführer schützen [...] nicht das haitianische Volk”. Die Bürger*innen Haitis fordern Souveränität und Demokratie, keine ausländischen Sicherheitskräfte.

Die Entsendung kenianischer Polizist*innen zu einem Einsatz in Haiti wäre ein Affront - sowohl gegen den Geist des Panafrikanismus als auch gegen das Engagement der lateinamerikanischen und karibischen Staaten, die eine “Zone des Friedens” schaffen wollen. Sie zeigt, wie sehr sich die Vereinigten Staaten auf Helferstaaten und Stellvertreter verlassen, um die eigenen Wünsche durchzudrücken. Die Intervention droht, die ohnehin schon katastrophalen Lebensbedingungen von Millionen Haitianer*innen weiter zu verschlimmern.

Aus diesem Grund hat die Progressive Internationale ihre “Hände weg von Haiti”-Kampagne (Hands off Haiti) gestartet. Wir sprechen uns gegen die Präsenz der kenianischen Polizei auf Haitis Straßen aus. Wir wollen endlich den Kreislauf der immer wiederkehrenden US-Intervention durchbrechen sowie die haitianische Souveränität und Unabhängigkeit verteidigen.

Die Kampagne vereint 26 Organisationen aus vier Kontinenten, die alle Völker und Nationen der Welt dazu aufrufen, sich gegen diese jüngste US-Intervention in Haiti zu stellen.

Das Neueste aus der Bewegung

Die Wahlen in Pakistan verstehen

Die PI-Ratsmitglieder Ammar Ali Jan und Jeremy Corbyn haben am Freitag (16. Februar) ein Online-Briefing zu den historischen Wahlen in Pakistan veranstaltet. Neben ihnen sprachen auch Taimur Rahman, der Generalsekretär der Mazdoor Kisan Party, und Alia Butt. Weitere Informationen findest du bei unserem PI-Mitglied Peace and Justice Project, das die Veranstaltung organisiert hat.

Amazon-Lobbyisten sollen draußen bleiben

Im Januar hat sich Amazon dazu entschlossen, sich der öffentlichen Kontrolle zu entziehen und sich geweigert, an einer Anhörung im Europäischen Parlament teilzunehmen. Jetzt fordern EU-Abgeordnete im Gegenzug, dass Amazon-Lobbyisten der Zutritt zu den Parlamentsgebäuden untersagt wird. In der vergangenen Woche schrieben die Koordinatoren der wichtigsten Fraktionen im Beschäftigungsausschuss des Parlaments an die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und forderten ein Zutrittsverbot für Amazon-Lobbyisten, bis diese sich auf einen respektvollen Dialog einlassen. Der Druck wurde am Montag nochmals verstärkt, als über 30 Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen einen offenen Unterstützungsbrief unterzeichneten. Es liegt nun an den Behörden des Europäischen Parlaments, tatsächlich ein solches Verbot durchzusetzen.

Die PI beim Weltsozialforum

Das World Social Forum ist am vergangenen Donnerstag (15. Februar) in Nepal gestartet. Das berühmte Forum, das 2001 im brasilianischen Porto Alegre erstmals stattfand, läuft noch bis Montag, den 19. Februar. Mehrere PI-Vertreter*innen nehmen in Kathmandu teil, darunter die Ko-Generalkoordinatorin Varsha Gandikota-Nellutla und die Ratsmitglieder Ammar Ali Jan und Walden Bello.

Indische Landwirt*innen fordern Mindestpreise

Nach dem historischen Bauernstreik von 2020/2021 kämpfen Indiens Landwirte weiter für Gerechtigkeit. Ihre zentrale Forderung an die Regierung ist die Garantie von Mindestpreisen für ihre Produkte, damit sie in Sicherheit wirtschaften können. Kürzlich marschierten Tausende in die Hauptstadt Delhi, um ihr Anliegen vorzutragen. Doch dazu kam es nicht: ihr Protest wurde mit Stacheldraht und Tränengas unterbunden.

Angriffe auf Rafah

Die israelischen Streitkräfte haben ihren Angriff auf Rafah begonnen, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens lebt. Dieser tödliche Feldzug wird erst enden, wenn die Palästinenser*innen und ihre Mitstreiter*innen die israelische Kriegsmaschinerie stoppen, indem die Geldhähne zugedreht und die politische Deckung beendet wird.

Auf der ganzen Welt sind Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen in Solidarität mit Rafah und gegen die israelischen Verbrechen aktiv geworden. Das PI-Mitglied AROC veranstaltete eine Aktion vor dem lokalen Regierungsgebäude in San Francisco. Das PI-Mitglied Palestinian Youth Movement organisierte Kundgebungen im Süden und Mittleren Westen der USA. Und das PI-Mitglied Congreso de los Pueblos in Kolumbien führte ein Sit-in vor der israelischen Botschaft in Bogota durch.

Argentiniens Gewerkschaften wollen sich gegen Milei wehren

Der argentinische Gewerkschaftsbund und PI-Mitglied CTA-T bildet das Herzstück einer Gruppe von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen, die sich gegen die kapitalistisch-fundamentalistische Politik des neuen Präsidenten Javier Milei wehren. In den vergangenen Tagen hat sich der Gewerkschaftsbund mit anderen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen getroffen, um den Widerstand gegen Mileis Agenda zu koordinieren.

RSA-Boykott trägt Früchte

Diese Woche hat ein britisches PI-Mitglied, die Gewerkschaft IWGB, im Rahmen einer Kampagne der Beschäftigten für Lohnerhöhungen zu einem öffentlichen Boykott der Royal Society of the Arts in London aufgerufen. Teilnehmende an bevorstehenden Veranstaltungen in der RSA, darunter auch PI-Ratsmitglied Yanis Varoufakis, haben aus Solidarität mit der Kampagne ihre Teilnahme an den Events abgesagt. Die PI-Ratsmitglieder Jeremy Corbyn und John McDonnell sowie andere Politiker*innen und Gewerkschaften haben ebenfalls ihre Unterstützung für den Boykott zugesagt.

Textilarbeiter*innen in Bangladesch kämpfen für Mindestlohn

Die National Garment Workers Federation (NGWF) in Bangladesch fordert die Wiedereinstellung von 35 Beschäftigten, die einen Mindestlohn gefordert hatten und illegalerweise entlassen wurden. Arbeiter*innen der PI-Mitgliedsorganisation NGWF versammelten sich vor dem Jatiya Press Club und forderten rechtliche Schritte gegen den Fabrikbesitzer, die sofortige Wiedereinstellung aller Arbeiter*innen und die uneingeschränkte Zahlung des Mindestlohns.

Sudanesischer Verband fordert Aufklärung und Rechenschaft für Verbrechen im Bürgerkrieg

Das PI-Mitglied Sudanese Professionals Association (SPA) rief diese Woche dazu auf, “eine Basis-Volksfront aufzubauen und zu bilden, um den [Bürger-]Krieg zu beenden und die Revolution zu vollenden”. Die SPA fordert außerdem, “all diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die an diesem Krieg beteiligt waren und ihn angezettelt haben” sowie diejenigen, die an “Verletzungen, Verbrechen und Massakern gegen das sudanesische Volk” beteiligt waren.

Kunst: To Preserve Their Freedom (1988) ist eines von 41 Gemälden des afroamerikanischen Künstlers Jacob Lawrence (1917-2000), die zusammen die Geschichte des “Vaters von Haiti” erzählen, mit dem gemeinsamen Titel: Das Leben von Toussaint L’Ouverture. Der 1743 in die Sklaverei hineingeborene L’Ouverture war einer der Anführer der haitianischen Revolution und federführend bei der Ausarbeitung der ersten demokratischen Verfassung Haitis im Jahr 1800. In seinen Jahren an der Macht arbeitete L’Ouverture daran, die Wirtschaft zu sanieren und die öffentliche Sicherheit in Haiti (damals noch Saint-Domingue) zu gewährleisten. 1802 kam es jedoch zum Komplott der französischen Kolonialmacht: L’Ouverture wurde nach Frankreich deportiert, wo er inhaftiert wurde und 1803 starb. Er erlebte somit nicht mehr, wie seine Leistungen den Grundstein für Haitis letztlichen Sieg legten. Die Unabhängigkeit des Landes wurde am 1. Januar 1804 erklärt.

Available in
EnglishGermanSpanishPortuguese (Brazil)French
Date
19.02.2024
Source
Original article
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