Labor

Theresa May hinterlässt ein grausames Erbe für Hausangestellte

Auch noch lange nach ihrem Rücktritt als Abgeordnete wird Mays herzlose Politik Hausangestellten Schaden zufügen.
Als Theresa May ihren Rücktritt ankündigte, wurden ihr viele Tribute gewidmet. Zu ihrem Vermächtnis gehört aber auch die Änderung des Visums für ausländische Hausangestellte, das die Arbeitnehmer\*innen an missbräuchliche Arbeitgeber bindet und ihre Ausbeutung und Hilflosigkeit aufrechterhält. Trotz ihres Ausscheidens trägt ihre Politik weiterhin zur Unterdrückung migrantischer Arbeiter\*innen bei und hinterlässt bleibende Spuren in deren Leben.

Anfang des Monats kündigte die ehemalige Innenministerin und Premierministerin Theresa May an, dass sie bei den nächsten Parlamentswahlen nicht mehr zur Wahl antreten werde. In Reaktion auf diese Nachricht gab es Videozusammenfassungen der Höhe- und Tiefpunkte ihrer Karriere – Brexit, die vorgezogenen Wahlen 2017 und ihr unbeholfenes Tanzen – und Würdigungen, die ihren "Anstand, ihre Integrität" und ihren "leidenschaftlichen Einsatz für wichtige Anliegen" lobten.

So werde ich sie nicht in Erinnerung behalten. Für mich und viele andere, die in migrantischen Communitys tätig sind und sich für die Rechte von Migrant*innen engagieren, wird sie wegen vier Taten in Erinnerung bleiben, die ihren grundlegenden Mangel an Menschlichkeit beweisen.

Sie war die Innenministerin, die die Windrush-Generation im Stich ließ, die sich nicht mit den Überlebenden des Brandes am Grenfell-Tower traf, die die Politik des "feindlichen Umfelds" für Migrantinnen ins Leben rief und die das Visum für ausländische Hausangestellte so abänderte, [dass die Arbeitnehmerinnen an ihre Arbeitgeber gebunden sind](https://www.opendemocracy.net/en/beyond-trafficking-and-slavery/two-years-on-38-a-week-life-inside-the-uks-trafficking-support-system/). All das war grausam, all das war das Gegenteil von "Anstand". Die letzten beiden Maßnahmen haben unzählige Migrant*innen der Ausbeutung ausgeliefert – in direktem Widerspruch zu Mays erklärtem Engagement für die Abschaffung moderner Sklaverei.

Den Migrant*innen im Vereinigten Königreich gegenüber war sie herzlos und verdient es, auch so in Erinnerung zu bleiben.

Das Visum für ausländische Hausangestellte

Das ODW-Visum, das 1998 nach jahrelangen Kampagnen von Hausangestellten eingeführt wurde, ermöglichte es ins Vereinigte Königreich verbrachten Arbeitnehmer*innen, den Arbeitgeber zu wechseln und sich niederzulassen. Sie konnten auch einen Antrag stellen, mit dem ihre Familie und Angehörigen zu ihnen ins Vereinigte Königreich ziehen konnten.

Doch im April 2012 änderte die damalige Innenministerin May die Vorschriften und erschwerte es den Arbeitnehmer*innen, aus missbräuchlichen Arbeitsverhältnissen zu entkommen. Hausangestellte können nach dem Verlassen eines ausbeuterischen Arbeitsverhältnisses zwar technisch gesehen immer noch zu einem neuen Arbeitgeber wechseln – sie können dann jedoch nur noch so lange weiterarbeiten, wie ihr Visum gültig ist (maximal 6 Monate). Das Visum ist nicht verlängerbar, und Hausangestellte können nicht zu einer anderen Form der Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich wechseln – selbst, wenn sie vor Missbrauch fliehen.

Durch die Kombination dieser Änderungen wurde es für die Arbeitnehmer*innen sehr schwierig, Missbrauch zu entkommen, ohne dass ihnen bei Überschreitung der Visumsdauer die Abschiebung drohte. Nur wenige Arbeitgeber sind bereit, Hausangestellte in der Mitte eines sechsmonatigen Visums einzustellen. Denn um die Arbeitskraft zu sponsern,  müssten sie diese Änderung beim Innenministerium anmelden, was für die meisten Arbeitgeber zu kompliziert ist, insbesondere für einen so kurzen Zeitraum. Ohne Arbeitgeber können sich Hausangestellte aber nicht legal im Vereinigten Königreich aufhalten.

Das bedeutet, sie sind gebunden – und das Ergebnis ist, dass migrantische Hausangestellte Ausbeutung und Missbrauch nicht entkommen können. Sie können es sich nicht leisten, sich zu schützen, oder wissen vielleicht gar nicht, welche Schutzmöglichkeiten es für sie gibt.

Dies ist kein theoretisches Problem. Als Betreuerin habe ich viele ausländische Hausangestellte kennengelernt, die von ihren Arbeitgebern extrem ausgebeutet wurden. Bei ihrer Einreise hatten sie keinen Zugriff auf ihre Pässe, oder kannten ihr endgültiges Ziel nicht. Im Vereinigten Königreich haben sie dann ohne Urlaubstage, Verpflegung oder Bezahlung gearbeitet. Viele mussten körperliche, psychische und sogar sexuelle Gewalt ertragen.

Nach dem britischen Modern Slavery Act, der ironischerweise ebenfalls von May entworfen wurde, gelten diese Personen als Opfer von Menschenhandel beziehungsweise moderner Sklaverei. Einige wurden von der britischen Regierung sogar offiziell zu solchen erklärt. Durch die Bindung der Visa von Hausangestellten an ihre Arbeitgeber hat May diese Ausbeutung erst ermöglicht. Sie wurde auf die Konsequenzen hingewiesen und tat es trotzdem.

Ausbeutung „Made in the UK“

Zwischen Arbeitnehmer*innen, die vor 2012 und solchen, die nach 2012 hier eingereist sind, gibt es einen Unterschied wie Tag und Nacht.

Die Wohltätigkeitsorganisation Kalayaan, die sich auf die Unterstützung von migrantischen Hausangestellten spezialisiert hat, stellte 2010 in einer Umfrage fest, dass 54 % ihrer Klient*innen von psychischem Missbrauch berichteten und 67 % keinen freien Tag hatten. Im Jahr 2013 berichteten dann 74 % der bei Kalayaan registrierten Arbeitnehmer*innen von psychischer Misshandlung und 100 % von ihnen gaben an, keinen Urlaub zu bekommen.

Ich habe diesen Unterschied in meiner Fallbetreuung und in meinem politischen Engagement selbst miterlebt.

Die Arbeitnehmer*innen, die vor 2012 eingereist waren, haben mittlerweile eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, manche sogar die britische Staatsbürgerschaft. Die Kinder, die sie zurückgelassen hatten – viele von ihnen auf den Philippinen – sind zu ihnen ins Vereinigte Königreich nachgezogen. Für die Frauen, die nach 2012 ankamen, sieht die Geschichte jedoch ganz anders aus.

Einige haben jahrelang ohne Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich gelebt, weil sie vor dem ausbeuterischen Arbeitgeber, der sie nach London gebracht hat, geflohen waren und durch die britische Politik daran gehindert wurden, ihren Aufenthaltsstatus beizubehalten. Sie sind jetzt auf Schwarzarbeit angewiesen – die Arbeitsbedingungen sind dort nicht viel besser als in den Arbeitsverhältnissen, aus denen sie ursprünglich geflohen waren, und sie genießen keinerlei Schutz.

Die Änderung des Visums war für die philippinische Community – die einen Großteil der Hausangestellten im Vereinigten Königreich ausmacht – ein solcher Schock, dass eine Gruppe von Arbeitnehmer*innen 2013 die Filipino Domestic Workers Association-UK (FDWA-UK) gründete. Sie schlossen sich den wenigen bereits bestehenden Organisationen wie Kalayaan, Kanlungan und Voice of Domestic Workers an, die sich für die Rechte von Hausangestellten einsetzen.

Zwei Jahre lang arbeitete ich bei Kanlungan, einer philippinischen Migrantenorganisation, als Betreuerin und Aktivistin für Migrant*innen ohne Papiere. Ich habe gesehen, wie das britische Einwanderungssystem und insbesondere das ODW-Visum die von mir betreuten Frauen traumatisierte. Sie saßen nicht nur in der Falle eines ausbeuterischen Arbeitsverhältnisses, sondern auch in der Falle eines ausbeuterischen Einwanderungssystems, das sie in einem Zustand der Hilflosigkeit hielt, indem es ihnen das Recht auf Arbeit, Niederlassung oder angemessene Unterstützung absprach.

Weitere Grausamkeiten 

Durch das ODW-Visum von 2012 wurden Hausangestellte isoliert und der Ausbeutung schutzlos ausgeliefert. Diese grausame, unmenschliche Visumsregelung war ein erster Ausblick auf die politische Stoßrichtung der nachfolgenden Maßnahmen: die Politik des „feindlichen Umfelds,“ das Gesetz über Staatsangehörigkeit und Grenzen, das Gesetz über illegale Einwanderung und das Gesetz über die Sicherheit Ruandas.

Die Visumsänderung öffnete auch anderen Arten von Kurzzeit- und eingeschränkten Visa Tür und Tor, wie z. B. dem Saisonarbeiter-Visum für die Landwirtschaft und dem Visum für das Gesundheits- und Sozialwesen. Damit wurden für die Arbeitnehmer*innen in diesen Sektoren ähnlich gefährliche Bedingungen geschaffen.

Migrantische Arbeiter*innen werden wie eine austauschbare Ware behandelt – sie werden importiert, um die Arbeit zu verrichten, die unsere Gesellschaft nicht wertschätzt. Sie haben kein Recht auf ein Privat- oder Familienleben, kein Recht auf eine Zukunft in dem Land, in dem sie arbeiten, nicht einmal ein Recht auf Schutz. Das ist das Vermächtnis von Theresa May.

May mag ihr Abgeordnetenmandat aufgeben, aber die von ihr aufgebaute politische Struktur wird ihren Unterdrückungskurs weiter fortsetzen. Ich erinnere mich noch an die Gesichter der Frauen, als ihnen klar wurde, dass es für sie keine Chance gab, im Vereinigten Königreich zu bleiben. Ich erinnere mich noch an ihre Tränen, die stundenlangen Polizeiverhöre, die Fahrten zur philippinischen Botschaft, die endlosen, verzweifelten Anrufe bei Anwälten und Wohlfahrtsverbänden. Viele der Frauen sind schließlich geblieben. Sie blieben unsichtbar in Privathaushalten im Vereinigten Königreich und kämpften darum, Mays "Anstand" zu überleben.

Francesca Humi ist Koordinatorin des Crossborder-Forums. Dieses Netzwerk von Bürgerinitiativen aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Belgien wird betreut vom Joint Council for the Welfare of Immigrants (Gemeinsamer Rat für das Wohlergehen von Zuwanderern). Sie ist ehemalige Beauftragte für Aktivismus und Kampagnen beim Kanlungan Filipino Consortium, einer Wohltätigkeitsorganisation, die sich für die Stärkung philippinischer, ost- und südostasiatischer Migrantinnen einsetzt.*

Available in
ArabicPortuguese (Brazil)GermanEnglishSpanishFrenchItalian (Standard)
Author
Francesca Humi
Translators
Constanze Huther and ProZ Pro Bono
Date
14.05.2024
Source
Original article🔗
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