Social Justice

Das neue “Terrorgesetz” auf den Philippinen ist nichts anderes als staatlicher Terrorismus

Progressive Gruppen auf den Philippinen protestieren und versuchen, das neue "Terrorgesetz" aufzuheben. Dabei stoßen sie auf staatliche Unterdrückung.
Das Anti-Terror-Gesetz 2020 tritt grundlegende Menschenrechte mit Füßen und ist verfassungswidrig. Es bietet keine Garantien und keinen Schutz vor Terrorismus. Wenn überhaupt, dann ist das Instrument selbst, das Menschen in Angst und Schrecken versetzt.

MANILA - Mehr als tausend Demonstrierende strömten am 4. Juli zur UP Diliman University Avenue, einen Tag nachdem Präsident Rodrigo Duterte das Anti-Terror-Gesetz 2020 unterzeichnet hatte.

Die Aktivist*innen wollen sich von den gefährlichen Bestimmungen des “Republic Act No. 11479” nicht terrorisieren lassen. Sie wiesen darauf hin, dass “die wahren Terroristen” Duterte, seine Kabinettsmitglieder und die Verfasser des Gesetzes seien.

Unter denjenigen, die sich dem Protest anschlossen, waren Mitglieder progressiver Gruppen, die aus erster Hand “den Duterte-Virus” miterlebten, der “das Leben des philippinischen Volkes in Verruf gebracht hat”.

Elmer Cordero, 72, sagte auf philippinisch: “Das Anti-Terrorgesetz sollte über Bord geworfen werden. Mitten in der Pandemie haben die unangebrachten Prioritäten der Regierung die Ärmsten der Armen wie uns am härtesten getroffen. Schon vor der Verabschiedung dieses Gesetzes haben gewöhnliche Bürger*innen wie wir bereits Polizeibrutalität erlebt. Wir werden wie Kriminelle behandelt, wenn wir um unseren Lebensunterhalt kämpfen".

Cordero ist eines von sechs Mitgliedern der Transportgruppe Piston, die am 2. Juni von Polizisten verhaftet wurden, als sie während der allgemeinen Quarantäne für die Wiederaufnahme ihrer Operationen protestierten. Sie wurden fast eine Woche lang in einer beengten Zelle festgehalten und zwei von ihnen wurden nach ihrer Freilassung positiv auf COVID-19 getestet.

“Wir sollten weiterkämpfen, solange wir noch leben, wir können jetzt keinen Rückzieher machen”, sagte Cordero.

Mitglieder der LGBT-Rechtsgruppe Bahaghari schlossen sich ebenfalls dem Protest an. Einige ihrer Mitglieder gehörten zu den 20, die am vergangenen 26. Juni während des “Pride March” in Manila von der Polizei festgenommen und inhaftiert wurden.

Kalvin Morales, 23, berichtete über den Vorfall: “Ich sah, wie unsere anderen Mitglieder von der Polizei in das Polizeifahrzeug geschleppt wurden. Trotz unseres friedlichen Protests und einer angemessenen sozialen Distanzierung wurden wir gewaltsam unterbrochen und zerstreut.”

"Seit diesem Vorfall wurde mein Kampf für die Rechte von LGBTs nur noch stärker”, sagte Morales Bulatlat.

Mit der Verabschiedung des Anti-Terrorgesetzes sind Morales und andere LGBT-Aktivist*innen umso entschlossener, den Kampf gegen Diskriminierung und gegen alle Formen staatlicher Unterdrückung zu aufzunehmen. “Wir sollten uns nicht in Angst zurückziehen, sonder umso mehr weiterkämpfen”.

Der ehemalige Anakpawis-Abgeordnete Ariel Casilao behauptete unterdessen, Duterte habe den Gesetzentwurf unterzeichnet, weil er “Angst vor dem Zorn des Volkes” habe.

Casilao sagte, die Wut des Volkes habe sich aufgrund der Unfähigkeit und Inkompetenz der Regierung Duterte im Umgang mit der COVID-19-Krise verstärkt. Casilao wird immer noch der Anstiftung zur Revolte beschuldigt. Er und sechs weitere freiwillige Helfer*innen wurden verhaftet, als sie am 19. April unterwegs waren, um in Norzagaray, Bulacan, Lebensmittelpakete an die Armen zu verteilen. Sie wurden nach Hinterlegung einer Kaution in Höhe von jeweils 40.000 P freigelassen.

Casilao sagte, das neue Gesetz werde abweichende Meinungen weiter kriminalisieren, einschließlich des langjährigen Kampfes der Bäuer*innen und Fischer*innen um ihr Recht auf Land und Lebensunterhalt.

Die Künstlerin Mae Paner ihrerseits, die auch für ihre satirischen Darbietungen bekannt ist, sagte, die Regierung solle Kritik positiv aufnehmen. “Die Rolle der Künstlerin ist es, zu kritisieren. Ich bin eine Künstlerin. Ich bin keine Terroristin”, sagte sie.

Mehr Staatsterror

Ma. Kristina Conti von “Concerned Lawyers for Civil Liberties” glaubt auch, dass das neue Gesetz gegen politische Dissident*innen eingesetzt werden soll.

“Dutertes Anti-Terrorismus-Rat wird bestimmen, wer als Terrorist eingestuft wird und was als terroristischer Akt gilt”, sagte Conti.

Insbesondere die Abschnitte 4-8 des Anti-Terrorgesetzes 2020 seien die “problematischsten”, so Conti. “Ich bitte alle, sich mit den im Anti-Terror-Gesetz 2020 verwendeten Begriffen auseinanderzusetzen. ‘Öffentliche Sicherheit', 'öffentlicher Notstand', 'ernste Gefahr' und andere verwandte Begriffe sind sehr, sehr gefährlich. Die größte Herausforderung des Gesetzes ist seine Unschärfe und dann seine breite Auslegung”, sagte Conti.

Sie fügte hinzu, dass sich nach dem Anti-Terrorgesetz ein mutmaßlicher Terrorist nicht von “nachgewiesenen Terrorist*innen” unterscheide. Conti sagte auch, dass die Regierung nun Zugang zu allen Informationen über jeden mutmaßlichen Terroristen habe, da die Überwachung nach dem Gesetz legal geworden sei.

Eine der Demonstrantinnen, Lina Macaurog, 50, sieht sich selbst als “Kandidatin”. Sie ist eine Überlebende der Periode unter Kriegsrecht, Mitglied von SELDA (“Samahan ng mga Ex-Detainees Laban sa Detensyon at Aresto”), einer Organisation ehemaliger politischer Gefangener, und Muslimin.

“Wir sind vielleicht keine Terrorist*innen, aber wir sind uns der Absicht des Gesetzes bewusst, deshalb leisten wir weiterhin Widerstand. Präsident Duterte behandelt das Volk der Moro seit langem als Terroristen”, sagte Macaurog in einem Interview mit Bulatlat.

“Das Anti-Terror-Gesetz von 2020 tritt unsere grundlegenden Menschenrechte mit Füßen und ist verfassungswidrig. Es bietet uns keine Garantien und keinen Schutz vor Terrorismus. Wenn überhaupt, dann ist das Instrument selbst, das die Menschen in Angst und Schrecken versetzt”, sagte Macaurog.

Bis zum 21. Juli wurden beim Obersten Gerichtshof mindestens zehn Petitionen eingereicht, die darauf abzielen, das Gesetz für nichtig zu erklären. Zu den Petenten gehören Anwält*innen, Volksorganisationen, Kirchenleute und Menschenrechtsverteidiger*innen, die von den staatlichen Sicherheitskräften als “kommunistische Terroristen” bezeichnet wurden. Sie argumentieren, das Gesetz sei gleichbedeutend mit Staatsterrorismus.

Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte nach der Schließung der größten philippinischen Medienorganisation. Aktivist*innen, die während der Jahre des Kriegsrechts aktiv waren, beschreiben die gegenwärtige Situation als “an die Marcos-Diktatur erinnernd”.

Foto: Carlo Manalansan / Bulatlat

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Author
Menchani Tilendo
Date
30.07.2020
Source
Original article🔗
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