Am Montag, dem 10. Januar, wurden die Bewohner*innen des Beduinendorfs Sa'wa in der Naqab — gemeinhin als Negev bekannt — durch israelische Polizeikräfte und Bulldozer geweckt, die ihren bereits Ende Dezember begonnenen Aufforstungsplan abschließen wollten.
Die Bewohner*innen des Dorfes und andere palästinensische Beduin*innen aus der Naqab leisteten Widerstand gegen die Polizei, die ihrerseits brutal gegen sie vorgingen.
Die israelischen Polizeikräfte und Bulldozer zogen sich am Mittwochabend der gleichen Woche zurück, kehrten aber am Donnerstag zurück. Sie trafen auf eine friedliche Demonstration, die von den Bewohner*innen organisiert und von palästinensischen beduinischen Aktivist*innen aus der Naqab und darüber hinaus begleitet wurde.
Dieser Demonstration wurde erneut mit brutaler Gewalt begegnet, wobei es Dutzende von Verletzten und Festnahmen gab. Die Verhaftungen beschränkten sich nicht auf die Teilnehmenden an der Demonstration im Dorf Sa'wa. Der Funke, der von diesem Dorf ausging, sprang auch auf andere palästinensischen Beduinenstädten über. Überall im kolonisierten Palästina fanden Solidaritätsdemonstrationen mit dem Dorf Sa'wa und al-Atrash statt, einem weiteren palästinensischen Beduinendorf, das vor der Zerstörung steht. Vor allem in der Naqab wurden Hunderte von Menschen festgenommen, 40 Prozent davon waren Minderjährige.
Wenige Tage nach diesen Demonstrationen begannen die Polizeikräfte des israelischen Regimes damit, Häuser zu stürmen und junge Männer und Frauen, sogar Kinder, unter dem Vorwurf des Aufruhrs und der Behinderung der Polizeiarbeit zu verfolgen und zu verhaften. Dies war eine kollektive Bestrafung für ihre Teilnahme an den Demonstrationen zur Unterstützung des Dorfes Sa'wa. Doch trotz des harten Durchgreifens und der Verhaftungen hörten die Palästinenser*innen in der Naqab nicht auf, Widerstand zu leisten.
Unter dem Motto “Wir lassen die Verhafteten nicht allein” wurden Mahnwachen vor dem Gericht in der Stadt Be'r Al-Sabeh (Be'er Shevah) organisiert. Sieben Tage lang versammelten sich Menschen aller Generationen aus der Naqab vor dem Gericht, um gegen die anhaltende Inhaftierung von jungen Männern, Frauen und Kindern zu protestieren. Diese Mahnwachen dauern immer noch an, und die Aktivist*innen haben angekündigt, sie fortzusetzen, bis jede inhaftierte Person freigelassen wird.
Diese jüngste Eskalation der Gewalt gegen Palästinenser*innen hat die Naqab in den Mittelpunkt des Kampfes gegen den Siedlerkolonialismus gerückt. Die Naqab im Süden ist der größte Bezirk Palästinas. Seit der Nakba und der ethnischen Säuberung im Jahr 1948 sind die überlebenden Bewohner*innen von ständiger Vertreibung und Landraub betroffen. Bei dem, was viele Aktivist*innen als langsame Vertreibung bezeichnen, bedient sich das israelische Regime verschiedener Mechanismen, um das Land in der Naqab fester unter die eigene Kontrolle zu bringen und das fortzusetzen, was es 1948 begonnen hat.
Mit einer dieser Methoden ist Sa'wa konfrontiert — der Abriss von Häusern in dem Dorf. Jedes Jahr werden in der Naqab Dutzende von Häusern unter dem Vorwand abgerissen, dass sie ohne Genehmigung gebaut wurden. Diese Maßnahmen dienen jedoch in Wirklichkeit dazu, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen und das soziale Gefüge der Gemeinden zu schädigen. Allein im Jahr 2021 wurden 3.000 Häuser abgerissen.
Das israelische Regime nutzt auch “Greenwashing” — Behauptungen über angeblichen Umweltschutz — um sich Land anzueignen. Insbesondere in der Naqab gibt das Regime vor, die Wüstenbildung zu bekämpfen und die Umwelt zu schützen, indem es große Flächen mit künstlichen Zypressen- und Kiefernwäldern bepflanzt. Jüngste Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass diese Bäume — die dort allerdings nicht heimisch sind — in Wirklichkeit zur Wüstenbildung beitragen. Gleichzeitig hat die “Israelische Landverwaltung” damit begonnen, offen davon zu sprechen, dass die Aufforstung dazu dient, die “arabische Aneignung ihres Landes” zu verhindern.
Das israelische Regime behauptet darüber hinaus, dass palästinensische Beduin*innen Eindringlinge sind, die sich illegal auf dem Land des Staates aufhalten. Dieser Behauptung hat die Regierung selbst widersprochen, als sie den Bewohner*innen eines Dorfes namens Al-Araqib Entschädigungen und Geldsummen anbot, damit sie ihr Land aufgeben. Wie der Naqab-Bewohner Sheikh Sayah Al-Turi sagte: “Wenn ich wirklich ein Eindringling in das Land wäre, warum bieten sie mir dann eine Entschädigung für die Aufgabe dieses Landes an”.
Während das israelische Regime behauptet, dass die palästinensischen Beduin*innen Eindringlinge seien, hat es gleichzeitig konsequent eine Politik der “Zivilisierung” beduinischen Bevölkerung verfolgt. Dies hat dazu geführt, dass Tausende von palästinensischen Beduin*innen gewaltsam von ihrem angestammten Land in sesshafte Gemeinden umgesiedelt wurden, was es dem Regime ermöglichte, riesige Landflächen zu verschlingen und gleichzeitig die beduinische Bevölkerung auf kleinstmöglichem Raum zu konzentrieren.
Die Geschichte von Sa'wa ist die Geschichte Palästinas, vom Westjordanland bis Jerusalem und darüber hinaus. Palästinensische Häuser werden abgerissen und palästinensische Familien vertrieben, um Platz für israelische Siedler*innen und die Infrastruktur des israelischen Regimes zu schaffen.
Die Entstehung von organisierten Bewegungen gegen den Landraub des israelischen Regimes im gesamten kolonisierten Palästina zeigt jedoch die Standhaftigkeit des palästinensischen Volkes von der Naqab bis Sheikh Jarrah.
Wir haben das Recht, auf unserem Land zu leben, und genau das ist es, was wir wollen und anstreben!
Narmin Slamah ist eine Aktivistin aus der Naqab.