War & Peace

Britische Militärakademie bildete während des Völkermords im Gazastreifen israelische Offiziere aus

Zwei hochrangige israelische Offiziere besuchten das britische Royal College of Defence Studies und befehligten gleichzeitig für Gräueltaten im Gazastreifen verantwortlichen Streitkräfte.
Declassified UK hat aufgedeckt, dass israelische Armeeoffiziere während des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen am Londoner Royal College of Defence Studies ausgebildet wurden, wobei einer später eine Invasion des Libanons anführte. Diese Enthüllung hat Empörung darüber ausgelöst, dass das Vereinigte Königreich mit seinem Festhalten an der militärischen Zusammenarbeit israelische Kriegsverbrechen legitimiert.

Offiziere der israelischen Armee durften während des Völkermords im Gazastreifen an einer britischen Militärakademie im Zentrum Londons studieren, wie Declassified aufgedeckt hat.

Mindestens zwei israelische Oberste haben seit 2023 das renommierte Royal College of Defence Studies (RCDS) besucht.

Einer der Soldaten, vermutlich Elad Edri, hat erst vor vierzehn Tagen seinen Abschluss gemacht.

Ein anderer Offizier, Yeftah Norkin, schloss sein Studium im Juli 2024 ab und führte unmittelbar danach die Division „Bang“ der israelischen Armee bei der Invasion im Libanon an.

Norkin, der aus einer einflussreichen Militärfamilie stammt, befehligte eine Patrouillenkompanie bei der Operation Cast Lead. Bei diesem israelischen Krieg in Gaza in den Jahren 2008/09 kamen Hunderte von Kindern ums Leben.

„Aufgehende Sterne“

Das RCDS in Belgravia wurde 1927 als Imperial Defence College gegründet und ist eine der bedeutendsten Militärakademien Großbritanniens. 

Von ihrem eleganten georgianischen Gebäude im Botschaftsviertel aus organisiert die Hochschule die Weiterbildung „aufstrebender Sterne“ unter Offizieren aus dem In- und Ausland.

Während Sandhurst junge Armeeoffiziere ausbildet, betreut das RCDS Armeeangehörige mittleren Ranges, die in der Befehlshierarchie aufsteigen wollen, und verleiht ihnen einen Postrgraduiertenabschluss im Fach Internationale Sicherheitsstudien.

Die Hochschule beschreibt sich selbst als „eine weltbekannte Institution, die sich der Entwicklung strategischer Denker verschrieben hat..., die das Potenzial haben, die höchsten Ränge zu erreichen“.

Zu den RCDS-Absolventen gehören Generalmajor Hidai Zilberman, der ehemalige Sprecher der israelischen Streitkräfte (IDF) und heutige israelische Verteidigungsattaché in den USA, und General Harel Knfao, der als Stabschef des israelischen Südkommandos diente.

Wie unsere Recherche verlief

Die Enthüllung darüber, wo israelische Soldaten im Vereinigten Königreich ausgebildet werden, kam nach monatelangem Abblocken von zahlreichen Minister*innen und Beamt*innen sowohl der Labour- als auch der konservativen Regierung.

Den Abgeordneten wurde erst kürzlich mitgeteilt, dass „weniger als fünf“ israelische Armeeangehörige in Großbritannien in „akademischen Kursen“ an nicht näher benannten Orten studierten.

Anfragen von Declassified auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes wurden bis letzte Woche wiederholt abgelehnt.

Schließlich gab das Verteidigungsministerium (MoD) bekannt, dass IDF-Soldaten am RCDS studierten, und räumte ein, dass dort in den Jahren 2023 und 2024 weniger als fünf Offiziere ausgebildet worden waren.

Das Verteidigungsministerium machte keine Angaben zu Namen, zum Rang der Offiziere, oder zu Zahlen für das Jahr 2025.

Declassified konnte jedoch Informationen über einen israelischen Offizier ans Licht bringen, der diesen Sommer seinen Abschluss gemacht hat, weil der RCDS-Kommandant Fotos von ihm auf seinen sozialen Medien veröffentlichte.

Mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware konnte dieser Offizier als Colonel Elad Edri identifiziert werden.

In der Zwischenzeit postete der Labour-Abgeordnete Tan Dhesi, der den Verteidigungsausschuss des Parlaments leitet und in der Vergangenheit an einem dieser Kurse teilgenommen hat, auf Twitter ein Foto von sich selbst neben einer Tafel, auf der alle Absolventen des Jahres 2024 aufgelistet waren.

Dazu gehörte ein Oberst I. Norkin von der israelischen Armee. Wir gehen davon aus, dass die Initiale für Iftach steht, eine alternative Schreibweise für Yeftah. Norkin wurde inzwischen zum Brigadegeneral befördert.

Declassified gab beide Namen ans britische Militär weiter. Dies stritt nicht ab, dass diese Personen am RCDS studiert haben. Die IDF antwortete nicht auf unsere Bitte um Stellungnahme.

Israel National Defense College

Laut einem Beitrag auf LinkedIn empfing das RCDS nicht nur israelische Soldaten, sondern Anfang dieses Jahres auch „hochrangige Mitarbeiter“ des Israel National Defense College (INDC).

Das INDC bereitet IDF-Offiziere sowie Verteidigungs- und Regierungsbeamte auf hochrangige Kommando- und Managementpositionen vor.

Der Besuch im RCDS „konzentrierte sich auf den Gedankenaustausch, die Erforschung bewährter Verfahren in der strategischen Ausbildung und die Identifizierung von Möglichkeiten für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen“.

Absolventen des INDC wurden daraufhin nach Gaza geschickt, darunter Oberst Ahsan Daksa, ein hochrangiger IDF-Kommandeur, der im Oktober 2024 in der Gegend von Jabalia im Gazastreifen getötet wurde.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wandte sich letztes Jahr an Absolventen der Hochschule, instruierte sie zum Krieg in Gaza und erklärte: „Wir nähern uns dem Ende der Phase der Eliminierung der Hamas-Terrorarmee“.

IDF-Stabschef Eyal Zamir hielt bei der Abschlussfeier Anfang dieses Monats eine Rede und lobte die „Aktionen und Erfolge der Armee seit dem 7. Oktober“.

„Auf britischem Boden trainiert“

Dies wurde öffentlich, nachdem John Deverell, ein pensionierter Brigadier und ehemaliger Direktor für Verteidigungsdiplomatie im Verteidigungsministerium, den Premierminister in einem Brief aufforderte, „jegliche militärische Zusammenarbeit mit Israel einzustellen“, einschließlich deren Ausbildung.

Im Gepräch mit Declassified sagte Deverell Anfang dieses Jahres: „Jede Beziehung zwischen den beiden Militärs ist für die IDF nützlich. Für Außenstehende erweckt das den Eindruck, dass die britische Armee mit den IDF-Einsätzen einverstanden ist. Tatsächlich liefert es israelischen Streitkräften eine Art Feigenblatt.“ 

Charlie Herbert, ein pensionierter General der britischen Armee, sagte gegenüber Declassified: „Es ist unglaublich, dass IDF-Mitarbeiter immer noch in Großbritannien geschult werden.

Alle Schulungen hätten ausgesetzt und die betroffenen Personen nach Israel ausgewiesen werden müssen, als der Internationale Strafgerichtshof [im November 2024] Haftbefehle gegen Premierminister Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant erließ.

„Es diskreditiert unsere Streitkräfte, wenn sie am RCDS mit IDF-Offizieren zusammenzuarbeiten.“

Der ehemalige konservative Kabinettsminister und Armeeveteran, Rory Stewart, beklagte sich kürzlich in einem Interview ebenfalls darüber, dass „wir weiterhin IDF-Soldaten ausbilden“.

Er fügte hinzu: „Wie ist es möglich, dass David Lammy auf der einen Seite diesen Horror beschreibt und auf der anderen Seite weiterhin militärische Unterstützung und Ausbildung anbietet?“

Im vergangenen Monat konfrontierte der liberaldemokratische Abgeordnete Andrew George Lammy im Parlament mit Berichten, denen zufolge IDF-Soldaten „auf britischem Boden ausgebildet“ würden.

Lammy verteidigte die Ausbildung und sagte: „Das Vereinigte Königreich bietet natürlich Militärkurse für unsere Verbündeten an, aber in all diesen Kursen betonen wir immer die entscheidende Bedeutung des humanitären Völkerrechts. 

„Es ist wichtig, dass wir mit unseren Verbündeten zusammenarbeiten, um die ausgezeichneten Standards unserer eigenen Streitkräfte zu gewährleisten, und ich bin sicher, auch Sie, Herr Abgeordneter, würde nicht wollen, dass wir davon abweichen.“

Unter der Hand haben Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes die Tatsache, dass Israel von westlichen Militärs ausgebildet wird, als Rechtfertigung für den Versand von Waffen nach Tel Aviv herangezogen.

In Dokumenten der britischen Regierung, die während eines Gerichtsverfahrens gegen Waffenexporte veröffentlicht wurden, wurde „ein Austauschprogramm erwähnt, bei dem jährlich etwa 500 IDF-Mitarbeiter in die USA geschickt werden, um dort eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren, die vom [US-Militär] DoD finanziert wird“.

Darin heißt es, dass die „Zufriedenheit der USA mit dem Ausbildungsniveau“ für das Auswärtige Amt „nicht ausschlaggebend“ sei, aber „sie gehören dennoch mit zu den Beweismitteln, die wir unter anderem in Betracht ziehen“.

Whitehall-Beamte nutzten zuvor eine ähnliche Strategie, um Waffenverkäufe an Saudi-Arabien während des Krieges im Jemen zu verteidigen. Die zahlreichen britischen Schulungen, an denen saudische Armeeangehörige teilgenommen hatten, wurden als Beweis dafür angeführt, dass diese das Völkerrecht verstanden haben.

Golanhöhen

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte gegenüber Declassified: „Eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern der israelischen Streitkräfte nimmt derzeit im Vereinigten Königreich an akademischen Studiengängen teil, die nichts mit militärischen Themen zu tun haben.

Es ist seit langem ein Grundsatz, dass unsere Bildungskurse Militärangehörigen aus einer Vielzahl von Ländern offen stehen. In allen britischen Militärkursen wird betont, wie wichtig die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ist.“

Fragen dazu, ob sich das Verteidigungsministerium für die Ausbildung israelischer Streitkräfte entschuldigen würde oder IDF-Angehörige im nächsten Semester vom Besuch der Hochschule ausgeschlossen seien, wurden nicht beantwortet.

Andrew George meinte dazu: „Die Regierung Netanjahu scheint sich damit abgefunden zu haben, dass sie zunehmend als Paria-Staat wahrgenommen wird. Wenn das Vereinigte Königreich tatsächlich die Augen vor eklatanten Verstößen gegen das Völkerrecht verschließt, dann kann man auch gleich jeden zur Ausbildung zulassen.“

Dies ist nicht das erste Mal, dass das das RCDS für seine Zusammenarbeit mit den israelischen Streitkräften kritisiert wird.

Durchgesickerte Dokumente der israelischen Armee, die Declassified eingesehen hat, enthüllten, dass die Hochschule schon im Mai 2019 eine Delegation von Offizieren zu einer Besichtigung auf die Golanhöhen brachte. Nach Ansicht der britischen Regierung werden diese illegal von Israel besetzt.

Die Reise beinhaltete einen Besuch der drusischen Stadt Buq'ata und einer UNO-Friedenstruppe in Camp Zouani. Geplant war für die Offiziere auch die Teilnahme an einer Wein- und Käsedegustation in einem Weingut neben „einer magischen Wasserquelle mit Blick auf den See Genezareth“.

Das RCDS hat seit langem keine Bedenken, Studierende aus repressiven Militärs und autoritären Staaten wie Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten aufzunehmen.

Die Delegierten wurden auf Reisen in das mit Russland verbündete Weißrussland mitgenommen, wo sie sich in der Oper Mozarts „Hochzeit des Figaro“ ansahen.

Zu den Kursen gehörten oft Luxusausflüge ins Ausland. 2015 schickte die Hochschule Offiziere „auf eine Nil-Kreuzfahrt, zur Walbeobachtung nach Sri Lanka und auf Safari in Kenia. Die Rechnung für Flüge und Unterkunft belief sich auf fast eine Dreiviertelmillion Pfund.“

John McEvoy ist Chefreporter für Declassified UK. John ist Historiker und Filmemacher und seine Arbeit konzentriert sich auf die britische Außenpolitik und Lateinamerika. Seine Dissertation handelte von Großbritanniens geheimen Kriegen in Kolumbien zwischen 1948 und 2009. Derzeit arbeitet er an einem Dokumentarfilm über Großbritanniens Rolle beim Aufstieg von Augusto Pinochet.

Alexander Morris ist Videojournalist und Filmemacher in London. Er hat kritische Dokumentarfilme und Videoreportagen auf der ganzen Welt gedreht, auch in Konfliktzonen wie Afghanistan, und war zuvor Videojournalist beim Middle East Monitor. Sein Dokumentarfilm Favela Lockdown über Gangmitglieder in Rio, die Covid-Beschränkungen durchsetzten, wurde bei den Lovie Awards 2020 als „bester Dokumentarfilm“ und als „bestes Nachrichten- und Politikvideo“ ausgezeichnet. Weitere Themen seiner Berichterstattung waren der Anstieg des Hindu-Extremismus in Indien im Jahr 2019, Großbritanniens rassistische Grenzpolitik und die Windrush-Generation 2021 sowie der historische Völkermordprozess gegen Israel in Den Haag 2024.

Phil Miller ist Herausgeber von Declassified UK. Er ist der Autor von Keenie Meenie: The British Mercenaries Who Got Away With War Crimes.

Foto: Declassified UK.

Available in
EnglishSpanishPortuguese (Brazil)GermanFrenchItalian (Standard)Arabic
Authors
John McEvoy, Alexander Morris and Phil Miller
Translators
Victoria Breting-Garcia and Open Language Initiative
Date
15.09.2025
Source
Declassified UKOriginal article🔗
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