Briefing

PI-Rundbrief | Nr. 41 | Palästina: Gestohlen oder entkolonialisiert

Im Westjordanland eskaliert die Kolonisierung Palästinas rapide, und Israel treibt Gesetze zur Annexion von 82 Prozent des besetzten Territoriums voran.
Im einundvierzigsten Rundbrief der Progressiven Internationale von 2025 bringen wir euch Nachrichten aus dem Westjordanland, wo die Annexion auf Forderungen nach einer Entkolonialisierung stößt.

Am 3. September 2025 berief Israels Finanzminister Bezalel Smotrich eine Pressekonferenz in Jerusalem ein. Smotrich stellte sich vor Landkarten, auf denen vier Fünftel des Westjordanlands für die Annexion markiert waren, und erklärte: „Es ist an der Zeit, die israelische Souveränität auf Judäa und Samaria anzuwenden“, wobei er sich auf den biblischen Namen beruft, der im israelischen siedlerkolonialen Diskurs verwendet wird.

Der Finanzminister erklärte, sein Plan – mit Ausnahme größerer palästinensischer Städte wie Ramallah und Nablus – ziele darauf ab, dass Israel ein „maximales Gebiet“ mit „minimaler“ palästinensischen Bevölkerung beansprucht. Sein Ziel ist klar: „Einen palästinensischen Staat ein für allemal von der Tagesordnung zu streichen“.

Im darauffolgenden Monat genehmigte die Knesset, das Parlament der Besatzungsmacht, einen Gesetzentwurf zur Annexion des Westjordanlands – die erste von vier Abstimmungen, die für das Landraubgesetz erforderlich sind. Wie bei allen siedlerkolonialen Projekten dient die dünne Fassade der Demokratie nur dazu, das eskalierende Projekt der ethnischen Säuberung und des Völkermords durchzuwinken.

Die Siedlerkolonisierung Palästinas ist kein einzigartiges Ereignis, sondern ein fortlaufender, gewaltsamer und anpassungsfähiger Prozess. Von der Nakba 1948 bis zur Naksa von 1967, von den Mauern, die Dörfer trennen und den Gazastreifen belagern, bis hin zu den Checkpoints, die ganze palästinensische Städte einsperren, diente Palästina seit je her als Labor der Kolonisierung: als Testgelände für Kontrolltechnologien, die später in die ganze Welt exportiert werden.

Israel bildete die nicaraguanischen Contras und die guatemaltekischen Juntas aus. Es bewaffnete das Apartheid-Südafrika und hielt Rhodesien am Leben, während diese ehemalige Siedlerkolonie mit zunehmender internationaler Isolation zu kämpfen hatte. Es waren die Foltertechniken des Mossad, die in den Kerkern des Savak, des berüchtigten Sicherheitsdienstes des imperialen Irans, angewendet wurden. Während Washington Tel Aviv als Anhängsel seiner imperialen Agenda in Westasien stützte, erwiderte Israel den Gefallen, indem es reaktionären Kräfte auf der ganzen Welt Rückhalt gab.

Heute ziehen bewaffnete Siedler*innen ungestraft durch palästinensische Dörfer, während die israelischen Besatzungstruppen ihnen Schutz bieten und methodische Enteignungen und Tötungen sanktionieren. Die Vereinten Nationen haben seit Oktober 2023 mehr als 2.000 Fälle von Siedlergewalt im Westjordanland registriert – mehr als 1.000 Palästinenser*innen wurden getötet, darunter über 200 Kinder – auch wenn der israelische Staat einen Völkermordkrieg gegen den weniger als 100 Kilometer entfernten Gazastreifen führt. Unterdessen leiden die Palästinenser*innen in den Gebieten von 1948 unter zunehmender Repression und Ghettoisierung.

Was sich da abspielt, ist keine Reihe einzelner Schandtaten. Es ist auch nicht einfach das Werk von Bomben und Bulldozern. Es ist der vorsätzliche Aufbau eines umfassenden Systems kolonialer Herrschaft: Banken, Unternehmen, Baufirmen, Universitäten, Sicherheitsunternehmen, politische Institutionen und internationale Handelsnetzwerke sind alle miteinander verflochten und bilden die Architektur der Apartheid – alle letztlich mit einer Rückendeckung durch Bomben und einem brutalen Gefängnisstaat.

Die Staats- und Regierungschefs der ganzen Welt können zwar bestimmte Gewaltakte verurteilen. Internationale Institutionen können Resolutionen verabschieden. Doch allzu oft behandeln sie die Besatzung als eine vorübergehende Krise und nicht als den Zentralapparat eines siedlerkolonialen Staates.

Um dieser Realität zu begegnen, bedarf es einer Entkolonialisierung: einer systematischen Anstrengung zum Abbau der Herrschaftsstrukturen, zur Wiederherstellung der palästinensischen Souveränität und zur Bekämpfung globaler Zirkel vom Kapital und militärischer Macht, die die Besatzung aufrechterhalten.

Diese Woche arbeitet die Progressive Internationale mit Organisationen in Palästina für den Ramallah-Kongress zur Entkolonialisierung Palästinas zusammen. Der Kongress wird politische Führer*innen, Rechtsexpert*innen, Gewerkschafter*innen und Wissenschaftler*innen zusammenbringen, um mehr über die Mechanismen der israelischen Kolonisierung in Palästina zu erfahren – und sich über einige der Strategien zu informieren, die dagegen ergriffen wurden.

Das Endziel der Kolonisierung Palästinas ist in Gaza deutlich zu erkennen: die totale Auslöschung des palästinensischen Volkes. Deshalb ist es höchste Zeit, die Illusion aufzugeben, dass die Kolonisatoren den Kolonisierten jemals erlauben werden, in Frieden zusammenzuleben. Entkolonialisierung ist kein Slogan, sondern ein notwendiger Prozess – der einzige Weg zu Freiheit, Gleichheit und Würde für alle.

Das Neueste aus der Bewegung

Honduras vor Unternehmens-‘Lawfare‘

Als die Regierung von Präsident Xiomara Castro im Rahmen der Energiereformen die Preise um 30 Prozent senkte, über eine Million Honduraner mit kostenlosem Strom versorgte und die Energiesouveränität gegen ausländische Konzerne verteidigte, waren nicht alle begeistert.

Zwei Unternehmensklagen gegen das zentralamerikanische Land wurden vor internationalen Unternehmensgerichten eingereicht, in denen eine Entschädigung in Höhe von US$ 400 Millionen für die Entscheidung der Regierung gefordert wurde, ihren Bürgern Vorrang vor ausländischen Unternehmensgewinnen einzuräumen.

Letzte Woche wurden die beiden Verfahren eingestellt, was für Castros Regierung und das honduranische Volk ein wichtiger Sieg darstellt.

Herzlichen Glückwunsch an Zohran Mamdani

Die Progressive Internationale hat Zohran Mamdani zu seinem Sieg bei den Bürgermeisterwahlen in New York City gratuliert, sowie der PI-Mitgliedsorganisation, den Democratic Socialists of America (DSA), die bei der Wahlkampagne mitgewirkt haben.

Mamdani ist Mitglied der DSA und begann seine Siegesrede mit einem Zitat des US-amerikanischen Sozialisten Eugene Debs: „Ich sehe den Beginn eines besseren Tages für die Menschheit.“

Die vollständige Stellungnahme der DSA nach dem Sieg findest du hier.

Kunst der Woche

Kunstwerk vom Ramallah-Kongress von PI-Designdirektor Gabriel Silveira

Available in
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Date
10.11.2025
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