Briefing

PI-Rundbrief | Nr. 29 | Weltenzerstörer

Im Jahr 1945 warfen die USA Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ab. 80 Jahre später ist die Menschheit stärker denn je von ihrer Zerstörungskraft bedroht.
Im neunundzwanzigsten Rundbrief der Progressiven Internationale von 2025 befassen wir uns mit der anhaltenden Gefahr von Atomwaffen – achtzig Jahre nach ihrem ersten Einsatz gegen Menschen in Hiroshima und Nagasaki.

Es gibt ein Werkzeug, das uns vernichten kann. Zuallererst sieht man einen Blitz, der so grell ist, dass man mit geschlossenen und mit den Händen zugedeckten Augen die Knochen der Menschen sehen konnte, die um einen herum stehen.

In wenigen Minuten lässt es Großstädte zu Staub zerfallen und jedes der rund 12.000 Passagierflugzeuge in der Luft in die Tiefe stürzen. In wenigen Tagen löst es eine Anarchie aus, da Regierungen und Institutionen nicht mehr existieren – und die Lebensmittel knapp werden.

In wenigen Monaten verdunkelt es den Himmel, die Temperaturen sinken um 20 bis 30°C, was eine Hungersnot auslöst. In wenigen Jahren löscht es unser kollektives Wissen, dann unser Gedächtnis aus, sodass sich Tausende von Jahren in der Zukunft ein Wesen, das über unsere Knochen stolpert, fragen könnte, was für ein Tier wir waren. Wie der sowjetische Ministerpräsident Nikhita Chruschev einmal bemerkte: „Die Überlebenden werden die Toten beneiden.“

Dies ist die düstere Wolke, die nun seit 80 Jahren über der Menschheit schwebt, seit die USA 1945 zum ersten Mal Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki einsetzten.

Am 6. August 1945 warf ein US-amerikanischer Boeing B-29 Superfortress-Bomber, benannt nach Enola Gay Tibbets, „Little Boy“, die erste Atombombe, die jemals im Krieg eingesetzt wurde, auf die Stadt Hiroshima ab, wobei ein Drittel der Einwohner*innen getötet und Tausende weitere verstümmelt wurden. Nur drei Tage später bombardierten die USA Nagasaki mit der zweiten Atombombe, „Fat Man“. Mindestens 100.000 Menschen wurden bei den beiden Angriffen sofort getötet, und vielleicht doppelt so viele starben langsam in den darauffolgenden Monaten und Jahren – sie wurden Opfer der anhaltenden Auswirkungen der Strahlung, die unsere Zellen deformiert und unsere Biologie zerstört.

Als die erste Bombe fiel, war Japan bereits verwüstet. Bei den US-Brandbombenangriffen auf Tokio kamen in einer einzigen Nacht im März 1945 über 100.000 Menschen ums Leben, eine weitere Million wurden aus ihren Wohngebieten vertrieben. Bei einem Luftgangriff auf Osaka zerstörte deren Bombardierung 20 Quadratkilometer der Stadt und tötete 4.000 Menschen. Rund 100 japanische Städte waren bereits verwüstet oder dem Erdboden gleichgemacht worden, bevor „Little Boy“ überhaupt auf die Enola Gay geladen wurde. Historische Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass die Nachricht von den Bombenanschlägen kaum dazu beitrug, das politische Kalkül in Japan zu ändern – Niederschriften politischer Diskussionen aus dieser Zeit zeigen auf, dass es die sowjetische Kriegserklärung an Japan am 9. August war, die das Blatt wendete.

In den USA selbst löste die Nachricht von der Bombardierung breite Empörung aus. Als Reaktion bemühte sich Außenminister Henry L. Stimson, das Narrativ zu verbreiten, dass der Angriff notwendig war, um Millionen von US-Amerikaner*innen das Leben zu retten und den Krieg zu beenden.

Aber Stimson wusste die Wahrheit. US-Präsident Harry S. Truman hatte die Bombe als „Hammer“ gegen die Sowjets bezeichnet. Im Juli 1945 wandte er sich auf der Potsdamer Konferenz an Joseph Stalin und teilte ihm mit, dass die USA über eine „neue Waffe mit ungewöhnlicher Zerstörungskraft“ verfügten. Die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki weniger als zwei Wochen später war ein imperiales Machtspiel und eine abschreckende Massenmordaktion, eine Chance für die USA, ihre Macht zu behaupten, und eine Warnung an diejenigen, die es wagten, ihre Vormachtstellung infrage zu stellen. Nelson Mandela sagte 2003 in einer Rede, in der er den Krieg der USA gegen den Irak kritisierte:

„Wenn es ein Land gibt, das auf der Welt unaussprechliche Gräueltaten begangen hat, dann sind es die Vereinigten Staaten von Amerika... [A]ls Japan sich an allen Fronten zurückzog, beschlossen sie, die Atombombe über Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen... Diese Bomben waren nicht gegen die Japaner gerichtet, sie waren gegen die Sowjetunion gerichtet, um zu sagen: ‚Schaut, das ist die Macht, die wir haben. Wenn ihr es wagt, euch uns zu widersetzen, wird euch das Gleiche widerfahren.‘“

Berauscht von der neu gewonnenen Macht der USA drohte Truman später, mit der Atombombe alle Produktionsstätten von Stalingrad bis Shanghai zu zerstören – eine Drohung, die auch von Winston Churchill in Großbritannien wiederholt wurde. Diese Bombe verhalf der weißen Vorherrschaft zu einer scheinbar überragenden Macht.

Dies bildete die Grundlage für den Kalten Krieg – einen Krieg, der in seinen Auswirkungen so weit ging, dass einige Historiker*innen ihn den Dritten Weltkrieg nannten. „Es ist besonders verfehlt, einen Krieg, der mit Nagasaki und Hiroshima beginnt, als ‚kalt‘ zu bezeichnen“, schrieb der italienische Historiker Domenico Losurdo. Obwohl die USA und die UdSSR nie direkt gegeneinander gekämpft haben, argumentierte Losurdo, würde die allgegenwärtige Gefahr einer totalen Vernichtung das gesamte politische und wirtschaftliche Gefüge des Hauptkonkurrenten der USA – und zunehmend auch des übrigen Planeten – verzerren. Von Korea bis Vietnam, von China bis zum Iran haben die USA wiederholt die Gefahr eines Atomkriegs genutzt, um ihre diplomatischen und militärischen Ziele zu verfolgen und die Welt zu einer weiteren Verbreitung von Atomwaffen zu drängen.

Heute schwebt die Fähigkeit der Atombombe zur totalen Zerstörung über der Gesellschaft. Seit mehreren Jahrzehnten haben die USA die Doktrin, die auf der Idee der „gegenseitig zugesicherten Zerstörung“ basiert und besagt, dass niemand einen Atomkrieg gewinnen kann, aufgeben und sind zu einer auf „Gegengewalt“ beruhenden Doktrin übergegangen, die davon ausgeht, dass die USA die nuklearen Kapazitäten eines Rivalen mit einem massiven Erstschlag vernichten könnten. Dies war die Begründung für die sogenannten „Euromissiles“, das US-Atomwaffenarsenal, das in den 1970er Jahren in Westeuropa aufgebaut wurde und sich bis heute ausbreitet.

Während sich die meisten Atomwaffenstaaten das Recht vorbehalten, Atomwaffen ausschließlich dann defensiv einzusetzen, wenn sie einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind, fühlten sich die USA keineswegs an solche Beschränkungen gebunden. 2022 warnte US-Außenminister Anthony Blinken davor, dass die USA den Einsatz von Atomwaffen „unter extremen Umständen zur Verteidigung der vitalen Interessen der USA, ihrer Verbündeten und Partner“ in Betracht ziehen würden. Hiroshima und Nagasaki erinnern uns daran, dass dies keine leere Drohung ist. Die USA sind nach wie vor das einzige Land in der Geschichte, das Atomwaffen im Krieg eingesetzt hat, und ihre „Interessen“ sind heute über die ganze Welt verstreut.

Am grauenvollen Jahrestag der Atombombenabwürfe gedenken wir der Opfer der einzigartigen Zerstörungsmacht des Imperialismus und bekräftigen unser Engagement für den Abbau seiner Kriegsmaschinerie und den Aufbau einer neuen Diplomatie der Völker. In diesem Kampf steht alles auf dem Spiel.

Das Neueste aus der Bewegung

Mehrheit ist für ein Ende der Waffenverkäufe an Israel: Umfrage auf drei Kontinenten

Diese Woche ergaben neue Umfragen des Netzwerks Global Energy Embargo for Palestine und der Progressiven Internationale, dass die Mehrheit der Menschen in fünf Ländern – Brasilien, Kolumbien, Griechenland, Südafrika und Spanien – der Ansicht ist, dass Waffenunternehmen den Handel mit Israel einstellen oder reduzieren sollten, während der Angriff auf den Gazastreifen andauert.

Spanien zeigte die größte Unterstützung für einen Stopp von Waffengeschäften. 58 Prozent der Befragten gaben an, sie sollten vollständig eingestellt werden, gefolgt von Griechenland mit 57 Prozent und Kolumbien mit 52 Prozent.

„Die Botschaft der Völker dieser Welt ist laut und deutlich: Sie wollen Taten, um den Angriff auf Gaza zu beenden – nicht nur Worte“, sagte David Adler, Ko-Generalkoordinator der Progressiven Internationale, gegenüber Al Jazeera. „Auf allen Kontinenten fordern Mehrheiten ihre Regierungen auf, den Waffenverkauf einzustellen und die israelische Besatzung einzudämmen.“

Hier findest du die Ergebnisse dieser Umfrage.

The World Transformed 2025

Die britische Politik ist in Bewegung. Angesichts des Aufstiegs einer neuen linken Partei, des Zerfalls der Labour Party, der Verwandlung der Grünen und neuer Reformen ist es dringend notwendig, dass sich die Bewegung zusammentut und über Strategien diskutiert, neue Solidaritätsnetzwerke aufbaut und sich auf das kommende Jahr vorbereitet. Das ist genau der Plan für die Konferenz The World Transformed 2025, die vom 9. bis 12. Oktober 2025 in Manchester im Vereinigten Königreich stattfindet. Hier kannst du dich anmelden.

Kunst der Woche

Kenichi Nakano war 47 Jahre alt, als die Atombombe auf Hiroshima fiel. Er befand sich 1.300 Meter vom Hypozentrum der Explosion entfernt, stromaufwärts von der Yokogawa-Brücke. Er sah, wie sich der Fluss mit den Leichen von Menschen füllte, die durch die Explosion getötet worden waren:

„Ich kniete am Flussufer und schloss meine Hände zum Gebet, nachdem ich zum ersten Mal in meinem Leben einen solchen Anblick gesehen hatte. Einige waren von der Bombenexplosion dorthin geschleudert worden, andere waren ertrunken, nachdem sie in den Fluss gesprungen waren, um der Hitze zu entkommen. Die Flüsse der Stadt waren voller sterbender Menschen. Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen.“

Diese Zeichnung von Kenichi Nakano ist eine von vielen der Überlebenden der Atombombe, die im Hiroshima Peace Memorial Museum in Hiroshima, Japan, zu finden sind.

Available in
EnglishSpanishGermanFrenchPortuguese (Brazil)
Date
09.08.2025
Privacy PolicyManage CookiesContribution SettingsJobs
Site and identity: Common Knowledge & Robbie Blundell