Apartheid

Wie Microsoft-Angestellte halfen, einen wichtigen Vertrag mit dem israelischen Militär aufzuheben

Microsofts Entscheidung, dem israelischen Militär den Zugang zu seiner Cloud-Technologie teilweise zu entziehen, war ein direkter Sieg für Tech-Arbeiter*innen, die ihre Jobs riskierten, um gegen die Rolle ihres Arbeitgebers bei der Massenüberwachung zu protestieren.
Die jüngste Entscheidung von Microsoft, Teile seines Vertrags über Cloud-Dienste mit der Einheit 8200 des israelischen Militärs zu kündigen – ein Schritt, der nach einer Untersuchung des Guardian über die Massenüberwachung von Palästinenser*innen ausgelöst wurde – war kein isolierter Akt der Unternehmensethik. Stattdessen war es ein direktes Zugeständnis, das von der kompromisslosen Kampagne „No Azure for Apartheid“ (NOAA) innerhalb von Microsoft errungen wurde, wo Tech-Mitarbeitende eine disziplinierte Bewegung von Petitionen, Störungen und direkten Aktionen orchestrierten, die in Sitzblockaden vor den Büros der Führungsebene gipfelten.

In der letzten Septemberwoche geschah etwas Bemerkenswertes. Der Tech-Riese Microsoft kündigte an, dass er den Zugang des israelischen Militärs zu proprietärer Technologie, die es zur Massenüberwachung und Zielerfassung von Palästinenser*innen im Gazastreifen und im Westjordanland nutzte, teilweise aufgehoben habe, wie The Guardian berichtete.

Die Formulierung „riesiger Fundus an Überwachungsdaten“ reicht nicht aus, um auszudrücken, wie enorm und weitreichend diese Überwachungskampagne ist. Die explosive Untersuchung im August, die gemeinsam von The Guardian, der israelisch-palästinensischen Publikation +972 Magazine und dem hebräischsprachigen Medium Local Call produziert und veröffentlicht wurde, enthüllte, dass Einheit 8200 – mit der dystopischen Hilfe von KI und der „nahezu unbegrenzten Speicherkapazität“ von Azure – „ein willkürliches neues System entwickelt hatte, das es ihren Geheimdienstoffizieren ermöglichte, den Inhalt von Mobilfunkanrufen einer ganzen Bevölkerung zu sammeln, wiederzugeben und zu analysieren“. Im Juli dieses Jahres wurden „11.500 Terabyte israelischer Militärdaten – das entspricht etwa 200 Millionen Stunden Audio – auf den Azure-Servern von Microsoft in den Niederlanden gespeichert“.

Brad Smith, Präsident und stellvertretender Vorsitzender von Microsoft, informierte die Mitarbeitenden des Unternehmens am 25. September per E-Mail über die Entscheidung. „Ich möchte Sie darüber informieren, dass Microsoft eine Reihe von Diensten für eine Einheit innerhalb des israelischen Verteidigungsministeriums (IMOD) eingestellt und deaktiviert hat“, schreibt Smith, und fügt hinzu:

Wir stellen keine Technologie zur Verfügung, um Massenüberwachung von Zivilisten zu ermöglichen. Wir wenden dieses Prinzip auf alle Länder weltweit an und haben wiederholt und über zwei Jahrzehnte hinweg daran festgehalten. Während unserer Überprüfung haben wir Hinweise gefunden, die die Elemente der Berichterstattung vom Guardian unterstützen. Diese Hinweise schließen den Konsum von Speicherkapazität von Azure in den Niederlanden und die Nutzung von KI-Diensten durch das IMOD ein.

Wir haben daraufhin das IMOD über Microsofts Entscheidung in Kenntnis gesetzt, bestimmte IMOD-Abonnemente und gewisse Dienste aufzuheben und zu kündigen, einschließlich ihre Nutzung von bestimmten Cloud-Speicher- und KI-Dienste und Technologien.

Microsofts Kehrtwende war zwar beachtenswert, aber sie geschah nicht einfach so, und diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.

Microsoft hätte diesen Schritt ohne die wichtige gemeinsame Recherchen der Reporter*innen von The Guardian, +972 Magazine und Local Call wohl kaum unternommen. In gewisser Hinsicht ist dies eine Geschichte darüber, wie echter, guter Journalismus in unserer blutigen „postfaktischen“ Hölle immer noch einen Unterschied machen kann.

Aber dies ist keineswegs das erste Mal, dass Microsofts technologische und finanzielle Komplizenschaft bei den israelischen Verbrechen aufgedeckt wurde – und diese Welle der Berichterstattung war bei weitem nicht die einzige Kraft, die Druck auf Microsofts Führungskräfte ausübte, eine Erklärung abzugeben und ihren Kurs zu ändern. So sehr der selbstgerechte Journalist in mir auch glauben möchte, dass Reporter*innen mächtige Unternehmen und staatliche Einrichtungen zur Rechenschaft zu ziehen vermögen, weiß der Journalist vor Ort in mir, der letzten Monat in Redmond, Washington war und aus dem globalen Hauptquartier von Microsoft berichtet hat, dass dem nicht so war.

Ich bin nach Redmond gereist, weil sich dort meiner Meinung nach die größte Arbeitergeschichte in den USA abspielt: eine von Tech-Mitarbeitenden angeführte Revolte innerhalb von Microsoft, einem der mächtigsten Konzerne der Welt, unter dem Banner der Kampagne „No Azure for Apartheid“ (NOAA). Hochspezialisierte, gut bezahlte Arbeitskräfte im Herzen der Big Tech, in einem der korporativsten, nerdigsten, nicht gewerkschaftlich organisierten, Northface-tragenden Umfeldern, die man sich vorstellen kann, haben wiederholt ihre Arbeitsplätze, ihre Sicherheit und sogar ihren Einwanderungsstatus aufs Spiel gesetzt, um dem Ruf Gazas zu folgen und ihre Position als Tech-Spezialist*innen zu nutzen, um einen Völkermord zu stoppen. Sie übergaben Petitionen mit Tausenden von Unterschriften von Mitarbeiter*innen, in denen sie die Microsoft-Führung anflehten, die Bereitstellung von Technologie für und das Geldverdienen an Israels Kriegsverbrechen zu stoppen. Sie störten Microsofts 50. Jubiläum im April und die Keynote-Rede von CEO Satya Nadella auf der jährlichen Entwicklerkonferenz des Unternehmens im Mai. Sie haben gegen die Unternehmensrichtlinien verstoßen, indem sie sich auf den unternehmensinternen Listservs über Microsofts Komplizenschaft geäußert haben.

Als diese Aktionen keine produktive Reaktion des Managements hervorriefen, eskalierten sie ihren Protest und errichteten ein Lager der „befreiten Zone“ auf dem East Campus Plaza von Microsofts globalem Hauptsitz, das stark von der Studentenbewegung inspiriert war, die im Vorjahr auf den Campi explodierte. Dann führten sie eine Sitzblockade im Bürogebäude vom Microsoft-Präsidenten Brad Smith durch. Mit anderen Worten, Arbeiter*innen mit einem Gewissen haben eine disziplinierte Basiskampagne ins Leben gerufen, um Microsoft unter Druck zu setzen, „[sich abzuwenden und [seine] Rolle in der Wirtschaft des Völkermords und der Apartheid zu beenden](https://noazureforapartheid.com/worker-intifada/)”.

Im Laufe des Jahres hat NOAA das Führungsteam von Microsoft immer wieder daran erinnert, dass dieses Problem nicht einfach verschwinden wird. In direkter und gelegentlich störender Weise haben Microsoft-Mitarbeitende darauf gepocht, dass ihr Unternehmen keine Technologie produzieren sollte, um einen Staat bei einem Völkermord zu unterstützen, wie NOAA in ihrem „Microsoft Company Complicity Profile“ festhält:

Das israelische Militär ist ein Microsoft S500 Kunde (unter den 500 größten), was bedeutet, dass sie höchste Priorität haben, weil sie zu den wichtigsten Kunden des Unternehmens gehören. Israels Streitkräfte sind die zweitgrößten militärischen Kunden von Microsoft. In 2021 erwartete Microsoft, dass seine Zusammenarbeit mit Einheit 8200 des israelischen Militärs mehrere Hundert Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren für das Unternehmen generieren würde, da die Führung der Einheit beabsichtigte, die Datenmenge auf Microsofts Servern in den nächsten Jahren zu „verzehnfachen“. Zudem unterzeichnete Microsoft in 2021 einen Dreijahresvertrag mit dem israelischen Verteidigungsministerium im Wert von US$ 133 Millionen. 50 Prozent von Microsofts Consulting-Umsatz stammt vom israelischen Militär.

Und während Israels eine gesamte Gesellschaft auslöschende Bombardierung, Vertreibung und erzwungene Hungersnot der Gaza-Bevölkerung ihr unmenschliches Endstadium erreicht, hat NOAA die Dringlichkeit gespürt und den Druck erhöht. Microsofts erste Reaktion war, die Polizei gegen NOAA-Mitglieder zu rufen und die beteiligten Mitarbeitenden zu entlassen. Aus diesem Grund ist so gut wie jeder Microsoft-Angestellte, der an diesen Aktionen beteiligt war und mit dem ich in den letzten zwei Monaten gesprochen habe, jetzt ein ehemaliger Microsoft-Angestellter. Doch keiner von ihnen bereut es, seinen Job verloren zu haben, und alle haben geschworen, den Druck aufrecht zu erhalten. Sie betonen auch, dass die Unterstützung aus der Belegschaft von Microsoft weiter wächst. „Unsere interne Petition hat über 2.100 Unterschriften gesammelt und unser internes Versprechen, die Arbeit an Tickets des israelischen Militärs zu verweigern, hat über 200 Unterstützer“, sagen die NOAA-Organisator*innen. „Unsere Botschaften kommen auch in der Öffentlichkeit an: Unsere öffentliche Petition hat über 11.000 Unterzeichnende.“

Sie erreichten auch die Führungskräfte von Microsoft – aber erst nach der beharrlichen Störkampagne von NOAA, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. „Nach zwei Jahren Völkermord; nach vier Jahren dieses beschämenden Deals zwischen Microsoft-CEO Satya Nadella und dem damaligen Leiter der Einheit 8200, der den Massendiebstahl jeglicher palästinensischer Kommunikation mit Microsoft-Technologie genehmigte; und nach 34 Jahren direkter Verstrickung in die israelische Apartheid und Besatzung hat Microsoft diese Entscheidung erst weniger als einen Monat nach unseren eskalierenden Protesten im August vor der Microsoft-Zentrale und den Wohnhäusern der Führungskräfte getroffen“, sagte die ehemalige Microsoft-Mitarbeiterin Nisreen Jaradat per E-Mail. Ohne einen solchen konzertierten Widerstand, fügt sie hinzu, „hätte Microsoft die Massenüberwachung der Palästinenser*innen im Stillen weiterhin ermöglicht“.

Jaradats Kollegin Anna Hattle, die im Zuge der jüngsten NOAA-Proteste ebenfalls ihren Job verlor, betont, dass die Mitarbeiter*innen des Unternehmens seit Beginn der Zerstörung von Gaza vor zwei Jahren Druck auf das Management wegen Microsofts IDF-Verträgen ausüben – und dass, als die Beschäftigten begannen, ihre Sache öffentlich zu machen und sich mit anderen Anti-Völkermord-Aktivist*innen weltweit zu verbünden, das Management deutlich nervöser wurde, was wiederum dazu führte, dass es schlussendlich auf die Forderungen der Beschäftigten einging. „Als wir im Mai unsere Petition der Arbeitnehmer*innen den Führungskräften vorlegten, veröffentlichten sie noch am selben Nachmittag ihren Blogbeitrag über die erste Untersuchung“, erinnert sich Hattle. „Brad Smith hielt eine Pressekonferenz in seinem Büro ab, in der er die Komplizenschaft von Microsoft öffentlich ansprach, nur wenige Stunden, nachdem wir im selben Büro gesessen hatten. Die Kampagne wurde von Menschen und Gruppen auf der ganzen Welt unterstützt, die sich unseren Stimmen angeschlossen und uns geholfen haben, an allen Fronten Druck zu machen. Dieser breitere allgemeine Druck, der hinter gezielteren und direkteren Aktionen ausgeübt wurde, hat dann zu Ergebnissen geführt.“

Die Kampagne der direkten Aktionen im August spitzte den Konflikt zu – und die Führungsriege des Unternehmens reagierte mit Gewalt. „Microsoft hat gezeigt, dass unsere Organisierung ihr Geschäft bedrohte, indem sie mehrere Polizeidienststellen des Bezirks sowie die Washington State Police herbeiriefen, die dann mehreren Menschen in unserer Gemeinschaft Verletzungen zufügten“, berichtet Julius Shan, ein weiterer Microsoft-Mitarbeiter, der nach der Konfrontation entlassen wurde. „Die Entsendung mehrerer militarisierter Polizeikräfte gegen Demonstrant*innen zeigt, dass Microsoft die Organisierung als ernsthafte Bedrohung für seine Erfolgsbilanz betrachtet.“

Das Unternehmen rechnet möglicherweise damit, dass die Sperrung des Azure-Zugangs zur Einheit 8200 ausreichen wird, um die Proteste seiner Belegschaft zu ersticken – aber die NOAA-Aktivist*innen betonen, dass die Druckkampagne so lange fortgesetzt wird, bis das Unternehmen alle Verbindungen zur IDF abbricht. „Wir werden uns so lange organisieren, bis Microsoft alle unsere Forderungen erfüllt hat“, sagt Shan. „Microsoft unterhält weiterhin mehr als 600 Technologie-Abonnements mit dem israelischen Militär. Wir wiederholen, dass es keinen moralischen, rechtlichen oder ethischen Weg gibt, Geschäfte mit einer Organisation zu machen, die Völkermord und ethnische Säuberungen begeht.“

Ein Teil des Erfolgs von NOAA beruhte auf der Vertrautheit der Aktivist*innen damit, wie Microsoft interne Kommunikationsplattformen für die Interessen des Managements nutzte und eng choreografierte Foren einsetzte, um unzufriedenen Arbeitnehmer*innen das Gefühl zu geben, „erhört zu werden“, während der Status quo beibehalten wurde. Dann haben sie mit effektiven Maßnahmen um solche Top-Down-Mechanismen herum den Dissens kontrolliert. „Oft bedeutet der Status quo auch, dass Unternehmen den Arbeitnehmer*innen interne Kanäle zur Verfügung stellen, um ihre Bedenken zu äußern“, sagt Shan. „Wir wissen aus Erfahrung, dass diese Wege – Mitarbeitergruppen, Foren, Town Halls, Q&A-Veranstaltungen – von den Unternehmensführungen manipuliert werden, um die Mitarbeiter*innen zu besänftigen, indem sie eine Fassade schaffen, dass die Führung ihrem Personal zuhört, während sie in Wirklichkeit oft den wichtigsten Fragen ausweicht. Diese internen Kanäle sind wertvoll, um Verbündete zu finden und wichtige Diskussionen unter den Angestellten zu führen, aber sie reichen oft nicht aus, um die Führung zur Rechenschaft zu ziehen und Maßnahmen wie den Abbruch der Beziehungen zum israelischen Militär zu erzwingen. Unsere Aktionen zeigen, dass eine Eskalation außerhalb der „richtigen“ Kanäle eine treibende Kraft für Veränderungen ist: Seid kreativ und einfallsreich bei euren Eskalationen.”

Der Umfang der Richtungsänderung von Microsoft in der letzten Woche, die NOAA zu Recht als Sieg bezeichnet, ist dennoch begrenzt. Der neueste Bericht von The Guardian legt nahe, dass ein großer Teil des „Fundus“ an Überwachungsdaten, der früher auf Microsofts Azure-Plattform gespeichert war, bereits zu Amazon Web Services verschoben wurde. Aber dies ist immer noch ein wichtiger Präzedenzfall in einer US-amerikanischen Technologieindustrie, die den Völkermord in Gaza hilfreich unterstützt. „Auch wenn dies weit hinter unseren Zielen einer vollständigen Abwendung zurückbleibt, ist es dennoch von großer Bedeutung“, meint Hattle. „Laut The Guardian ist dies das erste Mal seit Beginn dieses Völkermords, dass ein US-Technologieunternehmen überhaupt Dienstleistungen für das israelische Militär eingestellt hat. Dies schafft einen neuen Präzedenzfall für die Branche, die sich oft im Gleichschritt bewegt, dass es realistisch und möglich ist, die Erbringung von Dienstleistungen für das israelische Militär einzustellen.“

Diese Botschaft, kombiniert mit den Lehren aus dem Sieg gegen die Einheit 8200, wird den bevorstehenden Kampf anheizen, um Microsoft dazu zu bewegen, sich vollständig von seinen Verträgen mit dem israelischen Militär zu trennen. „Es ist wichtig, dass die Angestellten sehen, dass unsere Aktionen wirklich etwas bewirken können“, betont Hattle. „Man braucht nicht so viel, wie man denkt, um eine solche Wirkung zu erzielen. Diese Kampagne besteht aus einer Gruppe von Mitarbeitenden mit einem Gewissen, die sich gegen einen riesigen multinationalen Konzern stellen, und wir haben es geschafft, die Nadel zu bewegen. Da wir unsere eigene Macht oft unterschätzen, ist eines unserer größten Hindernisse die Grenze unserer eigenen Vorstellungskraft. Viele von uns sind abgestumpft und pessimistisch, aber wenn wir kreativ werden, können wir noch so viel mehr erreichen. Wir sind es unseren Leuten in Palästina schuldig, ehrgeiziger zu sein und neue Strategien auszuprobieren, um zu gewinnen.“

Maximillian Alvarez ist Chefredakteur von The Real News Network in Baltimore sowie Gründer und Moderator des Podcasts Working People. Er ist auch der Autor von The Work of Living, einer Sammlung von Interviews mit US-Arbeiternehmerinnen, die im ersten Jahr der Covid-Pandemie aufgenommen wurden. Er hat Essays und Arbeiten in The Baffler, In These Times, Boston Review, The New Republic, Current Affairs und anderen veröffentlicht.*

Available in
EnglishPortuguese (Brazil)GermanFrenchArabic
Author
Maximillian Alvarez
Translators
Nathalie Guizilin and Open Language Initiative
Date
27.10.2025
Source
The NationOriginal article🔗
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