Obwohl die Überfahrten zwischen Afrika, Asien und Europa so alt sind wie die Besiedlung an seinen Ufern, haben in der Neuzeit Reisebeschränkungen und gewaltsame Grenzsicherungen das Meer in einen Massenfriedhof verwandelt, wo Länder lieber schutzbedürftige Menschen in den Tod oder in die fast sichere Sklaverei schicken, als ein gewisses Maß an Sicherheit zu gewähren. Fast ganz Europa macht sich mitschuldig an der Abweisung von Menschen in ihrer verletzlichsten Lage, unter anderem durch das Einschüchtern der Boote, die der Festung, die Europa gebaut hat, trotzen.
Das Sterben auf dem Mittelmeer wurde fälschlicherweise als eine afrikanische, syrische oder sogar libysche Krise dargestellt, als eine Krise der Migration. Während Europa die Diskussion schnell an sich gerissen hat und es zu einer Krise der europäischen Grenze erklärt hat, ist es in Wirklichkeit eine Krise des europäischen Staates — eine, die alles mit der Geschichte der Konflikte und der Spaltung innerhalb dieses Kontinents zu tun hat. So vieles von dem, wie die Staaten der Welt funktionieren und wie sie sich fürchten, stammt aus der blutigen und gewalttätigen Geschichte Europas.
Es gibt drei Hauptrouten, über die man von Afrika oder Asien über das Mittelmeer nach Europa gelangen kann. Diese Routen werden schon fast so lange benutzt, wie das Reisen über das Mittelmeer dokumentiert ist. Über die Küstenlinie verstreut liegen die Überreste antiker Zivilisationen, die die Entstehung der Moderne beeinflussten: Sparta in Griechenland, Karthago in Tunesien, Alexandria in Ägypten, das historische Athen und Rom — und erzählen eine Geschichte von Gesellschaften, die in ständigem, wenn auch nicht immer freundschaftlichem Kontakt miteinander standen. Wenn die westliche Philosophie ein Eckpfeiler der westlichen Politik und Gesellschaft ist, ist es erwähnenswert, dass viele der bemerkenswertesten Produkte der westlichen Philosophie in Wirklichkeit Produkte der freien Bewegung von Menschen und Ideen über das Wasser hinweg sind. Augustinus von Hippo war ein afrikanischer Mann, dessen Theologie und Philosophie der Kern des modernen Christentums und des westlichen politischen Denkens ist. Seine Theorie des gerechten Krieges wird immer noch in internationalen Beziehungen und in politikwissenschaftlichen Kursen auf der ganzen Welt gelehrt. Historiker*innen sagen, dass Augustinus ein Berber war (er stammte von einem Hirtenvolk ab) und daher waren Migration und Mobilität zentral für seine Weltanschauung, noch bevor er nach Rom und Mailand zog, um seine Arbeit fortzusetzen. Bewegung war schon immer zentral für die intellektuelle Fruchtbarkeit des Mittelmeerraums und die moderne Feindseligkeit ihr gegenüber trägt nur zu ihrem Niedergang bei.
Es ist nicht so, dass es nie zuvor Feindschaft zwischen den Gemeinschaften des Mittelmeerraums gegeben hätte. Man sollte bedenken: Europa war schon immer ein Ort der Gewalt. Aber in dem Maße, in dem Europa zu einem enormen sozialen und politischen Projekt zusammengewachsen ist, ist das Ausmaß des Schadens größer geworden. Bertrand Russell schrieb einmal, dass Anführer schon immer dumm waren, aber zuvor waren sie noch nie so mächtig. Er schrieb über die Zeit zwischen den Weltkriegen, aber dasselbe kann man auch heute sagen. Die menschliche Fähigkeit, Schaden anzurichten, ist größer als je zuvor, was historische Spannungen und Hass umso gefährlicher macht. Alarmierende Zahlen von Menschen sterben jetzt, während sie Routen benutzen, die schon seit Hunderten von Jahren bestehen.
Das Schengener Abkommen von 1990 fand einen Weg, sowohl die historisch offenen als auch die historisch geschlossenen Länder bei Laune zu halten, obwohl das neue System die internen Visakontrollen abschaffte und eine gemeinsame Visapolitik vereinbarte (um die Bürokratie an den Grenzen vieler europäischer Länder zu reduzieren). Der Kompromiss war ein invasiver, demütigender und sogar gewaltsamer Kontrollprozess für Menschen, die aus Ländern kommen, die als zu arm und damit als Risiko für die Einwanderung gelten.
Menschenrechtler*innen behaupten, dass eine Sache, die das Schengen-System mit erschreckender Effizienz tat, darin bestand, Bürger*innen dieser unerwünschten Länder, die die geforderten Schwellenwerte nicht erfüllen konnten, alle humanen Wege nach Europa zu versperren. Für einen jungen Mann oder eine junge Frau aus dem Senegal oder dem Sudan, die keine Arbeit in einem durch den Klimawandel, oder wegen einer zusammengebrochenen Wirtschaft verwüsteten Dorf finden konnten, gab es durch das Schengen-Regime keine legale Möglichkeit, in Europa Arbeit zu Niedriglöhnen zu suchen. Natürlich war es nicht ideal, dass die Menschen Flüge nach Europa bestiegen und dann Asyl beantragten oder ihre Touristenvisa überzogen. Aber zumindest kamen sie lebend an. Was die Architekten des Schengener Abkommens zu ignorieren schienen, war die schiere Anzahl von Menschen, die nun stattdessen zu Schmugglern und klandestinen Routen getrieben werden würden. Wenn Menschen einen sicheren Tod sehen, wenn sie sich nicht bewegen, gegenüber einer winzigen Chance auf Erfolg, wenn sie sich bewegen, dann werden sie das tun.
Wenn ich dieses Argument gegenüber Europäer*innen vorbringe, bekomme ich immer eine Version von "Warum nehmen die Menschen in diesen Ländern dann nicht einfach ihre Politik in die Hand und machen ihre Länder besser?" Natürlich wäre das die bessere und sogar die ideale Option. Aber wenden wir uns an Wallerstein und der Nutzung von Grenzen, um Instabilität aus dem Westen zu exportieren. Betrachten wir allein das zwanzigste Jahrhundert in Afrika an. Zuerst die Gewalt der Kolonisierung und Invasion. Dann die weit verbreitete, gezielte Ermordung von visionären Anführern wie Thomas Sankara und Patrice Lumumba in Zusammenarbeit mit westlichen Regierungen. Dann Jahrzehnte aktiver wirtschaftlicher Einmischung und Sabotage, die in den Strukturanpassungsprogrammen der späten 1980er Jahre gipfelten: Kredite vom Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank an krisengeschüttelte Volkswirtschaften unter der Bedingung struktureller Reformen. Jetzt haben wir digitalen Kolonialismus und westliche Regierungen, die privaten westlichen Konzernen Deckung geben, um sich in die Politik der Entwicklungsländer einzumischen. Halten Sie es immer noch für fair, Zivilist*innen für die Entscheidungen von Staaten verantwortlich zu machen? Warum hören die Länder, die Waffen herstellen und an ärmere Regierungen verkaufen, nicht einfach auf, das zu tun? Warum hören Regierungen nicht einfach auf, Diktatoren zu unterstützen? Auswanderung findet nicht in einem Vakuum statt.
Die Zahl der Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, hat nicht nur zugenommen, weil es einfach mehr Menschen gibt. Sondern weil die legale und sichere Passage nach Europa verschwunden ist, für alle außer einem kleinen Teil der Weltbevölkerung.
PI-Ratsmitglied Nanjala Nyabola ist Autorin, unabhängige Forscherin und politische Analystin. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Konflikten und Post-Konflikt-Übergängen, mit einem Fokus auf Flüchtlingen und Migration, sowie ostafrikanischer Politik im Allgemeinen. Ihr neuestes Buch, Travelling While Black: Essays Inspired by a Life on the Move, wurde am 19. November veröffentlicht.
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