Im Oktober 1945 verabschiedeten zahlreiche Nationen der Welt die Charta der Vereinten Nationen – ein Dokument mit beispiellosem globalem Konsens und kühnen Bestrebungen, aus dem Schutt zweier brutaler Kriege eine neue Welt aufzubauen. Wenige Monate später fand die erste Generalversammlung der UNO statt.
Von ihrer Geburt an sollte die Institution die Widersprüche und Ungleichheiten eines Weltsystems widerspiegeln, das im Schmelztiegel der kolonialen Konfrontation erschaffen worden war. Nur 51 Nationen nahmen an der ersten Generalversammlung teil. Als sie sich in der Londoner Methodist Central Hall trafen, lebten rund 750 Millionen Menschen – oder ein Drittel der Weltbevölkerung – immer noch unter kolonialer Herrschaft.
Schon die Architektur der UNO, die den USA und ihren Verbündeten durch den Sicherheitsrat erhebliche Macht verleiht, diente lange Zeit einer Agenda imperialer Übergriffe. Mit Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates starteten die USA ihren völkermörderischen Angriff auf Korea, nur fünf Jahre, nachdem in der Charta der Vereinten Nationen die Entschlossenheit der Welt zum Ausdruck gebracht worden war, „nachfolgende Generationen vor der Geißel des Krieges zu schützen“.
In den darauffolgenden Jahrzehnten kam es jedoch zu krassen Veränderungen im internationalen System. Als nationale Befreiungsbewegungen – und sozialistische Revolutionen – die Völker im globalen Süden vom Kolonialismus und Imperialismus befreiten, traten sie dem internationalen System bei, fest entschlossen, eine Welt ohne Vorherrschaft aufzubauen.
Sie trafen sich in Bandung, Belgrad oder Havanna, um eine Vision einer Welt mit friedlicher Zusammenarbeit und souveräner Entwicklung zu formulieren. Und in den Räumen der UNO unternahmen sie historische Anstrengungen, um das Völkerrecht – und die Institutionen, die es schützen sollen – gemäß dem Bild der Unterdrückten der Welt neu zu gestalten.
Dank dieser Überschneidung der Bemühungen gewannen die Nationen der Dritten Welt das Recht auf bewaffneten Kampf gegen die koloniale Besatzung (UNO-Resolution 37/43), es wurden Sanktionen gegen das südafrikanische Apartheidsystem verhängt (UNO-Resolution 1761) und eine Erklärung über die Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung verfasst (UNO-Resolution 3201).
Jede Initiative wurde in unterschiedlichem Ausmaß von den imperialistischen Mächten vereitelt oder eingedämmt. Und diesen Geschehnissen liegt eine nüchterne Realität zugrunde: Die UNO spiegelt schlicht die Widersprüche im Weltsystem und das Kräfteverhältnis zwischen den Nationen wider, aus denen es besteht. Heute, da sie zu ihrer 80. Generalversammlung zusammentritt, stecken diese Widersprüche in einer heiklen neuen Phase.
Auf der einen Seite bemühen sich Staaten aus dem globalen Süden wieder einmal, das internationale System an den Interessen der globalen Mehrheit auszurichten. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Haager Gruppe, ein globaler Staatenblock, der sich zu „koordinierten rechtlichen und diplomatischen Maßnahmen“ zur Verteidigung des Völkerrechts und der Solidarität mit den Menschen in Palästina verpflichtet hat. Die Haager Gruppe spricht mit einer erweiterten Agenda bei den Vereinten Nationen vor, um sich über eine gemeinsame Reaktion auf den Völkermord zu beraten und der Generalversammlung eine antiisraelische Nationalpolitik vorzustellen.
Die Interventionen der Haager Gruppe in New York bauen auf ihrer jüngsten Notfallkonferenz zugunsten Palästinas auf, die vom 15. bis 16. Juli 2025 in Bogotá stattfand und an der Vertreter*innen aus 31 Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens, Europas und des Nahen Ostens teilnahmen. Dies ist die bisher koordinierteste diplomatische Anstrengung einer Koalition von Staaten, die sich dem völkermörderischen Angriff Israels in Gaza widersetzen. Jetzt kommen die Staaten zusammen, um dieses Vorhaben voranzutreiben. Ziel ist, neue Staaten mit an Bord zu holen und gleichzeitig die Verpflichtungen zu vertiefen, die sie Anfang des Jahres eingegangen sind.
Auf der anderen Seite dieses historischen Kampfes bemühen sich die USA und ihre Verbündeten erneut, das einvernehmliche internationale System zugunsten einer ungeschriebenen und undefinierten „regelbasierten internationalen Ordnung“ abzubauen, also einem willkürlichen Rahmen imperialer Gesetzlosigkeit und Straflosigkeit. Dies zeigt sich mit Annalena Baerbocks Übernahme der Präsidentschaft der UNO-Generalversammlung, was die Institution ins Lächerliche zieht. Als ehemalige Außenministerin Deutschlands gehörte Baerbock zu den lautesten Befürworter*innen der NATO und des Völkermords in Palästina.
Und dies spiegelt sich in der Mutlosigkeit des UNO-Systems wider. Das Veto der USA im UNO-Sicherheitsrat – das sie seit 1972 mehr als vierzig Mal zum Schutz der israelischen Besatzung Palästinas ausgeübt haben – verhindert jegliche nennenswerte Aussicht auf eine Atempause für das palästinensische Volk. Und die UNO-Generalversammlung hat nicht genügend Befugnis, die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen durchzusetzen. Trotz gelegentlicher verurteilender Reden der UNO-Beauftragten geht der Völkermord unvermindert weiter – selbst Mitarbeiter*innen der UNO sind dem Massaker nicht entkommen.
Deshalb sind Initiativen wie die Haager Gruppe so wichtig. Sie zeigen, dass die Rechte, die die unterdrückten Völker der Welt innerhalb des internationalen Systems – oft mit vorgehaltener Waffe – errungen haben, nicht tot und begraben sind. Stattdessen bleiben sie eine lebendige Kampfarena. Sie spiegeln das Kräfteverhältnis innerhalb der internationalen Institutionen wider, und dieses Gleichgewicht gerät jetzt ins Wanken. Ob sie bei diesem Kampf den Sieg davontraten, hängt von der Fähigkeit und Entschlossenheit der progressiven Kräfte auf der ganzen Welt ab, um den langen Befreiungskampf in eine neue Ära zu führen.
Wire-Partner Jamhoor arbeitet mit anderen Medienpublikationen zusammen, um ein sechsmonatiges Stipendienprogramm anzubieten, das sich an Journalist*innen aus dem globalen Süden richtet, die am Anfang oder mitten in ihrer Karriere stehen. Das Stipendium unterstützt Journalist*innen, die sich für feministische Werte und soziale Gerechtigkeit einsetzen, und bietet Ressourcen, Mentoring und Visibilität, um ihre Berichterstattung zu stärken, die Faschismus, Fundamentalismen und Anti-Gender-Bewegungen infrage stellt. Hier kannst du mehr darüber lesen und dich bewerben.
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