Die Dialektik von konstituierter und kommunaler Macht: Ein Gespräch mit Ángel Prado

Der Hauptsprecher der Kommune El Maizal versucht, die institutionelle Macht in den Dienst der Kommune zu stellen.
Ángel Prado, Bürgermeister der Kommune El Maizal, erläutert, wie inspiriert von Hugo Cháves die Entwicklung kommunaler Ermächtigung und Selbstverwaltung, die Würde aller und die Eigentumsverhältnisse im Produktionszyklus gewährleisten kann.

Die Kommune El Maizal liegt am Tor zur venezolanischen Region Llanos zwischen den Bundesstaaten Lara und Portuguesa. Sie ist eine der am stärksten gefestigten Kommunen in Venezuela, auf deren Gebiet etwa 3500 Familien leben, die große Flächen mit Mais und Vieh bewirtschaften und eine Reihe von produktiven Projekten durchführen.

Ángel Prado ist der Hauptsprecher der Kommune. Vor zwei Jahren hat er den schwierigen Kampf um das Bürgermeisteramt von Simón Planas gewonnen, der Gemeinde, die den größten Teil von El Maizal und 11 andere Kommunen umfasst. In diesem Interview spricht Prado über seine Bemühungen, die konstituierte Macht mit dem langjährigen Projekt zur Entwicklung der kommunalen Ermächtigung zu verbinden.

Einige unserer Leser kennen El Maizal sicherlich, aber könnten Sie einen Überblick über die Kommune geben?

El Maizal ist das Ergebnis von Erfahrungen, Praktiken, Siegen und Niederlagen. In erster Linie ist es jedoch ein Programm und ein Projekt, das uns Chávez hinterlassen hat, ein Programm, das das aus uns macht, was wir sind und wie wir uns organisieren. 

El Maizal verkörpert die Lebensweise in der Kommune, die auf der Suche nach innovativen Methoden und politischen Ansätzen zur Schaffung einer besseren Welt beruht. Natürlich wird diese neue Lebensweise nicht durch die Logik des Kapitals bestimmt, sondern dadurch, dass sie das Gemeinsame in den Vordergrund stellt und die Würde aller Menschen gewährleistet. 

El Maizal umfasst 27 Kommunalräte und 2335 Hektar Kommunalland. Darüber hinaus konnte die Gemeinde ihre Arbeit mit der Arbeit der anderen Kommunen in Simón Planas und mit der Communard Union verbinden, einer nationalen Organisation, der mehr als 50 Kommunen angehören. All dies ist sehr wichtig, denn wie Chávez einmal sagte, können die Kommunen nicht isoliert bleiben; wenn sie dies tun, werden sie vom hegemonialen System, dem Kapitalismus, verschlungen. 

Ich denke, dass El Maizal einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesellschaft und unserer Klasse leistet, weil es dem Plan von Chávez folgt. Deshalb dient unsere Kommune – wie viele andere – als Leuchtturm; es ist ein Beispiel, das Volksorganisationen im ganzen Land und auf der ganzen Welt inspiriert. 

Kommunen sind mehr als nur politische Einheiten; sie stellen ein aufstrebendes Wirtschaftsmodell dar, das auf neuen sozialen Beziehungen beruht. Könnten Sie dies näher erläutern?

Der Kampf gegen den Kapitalismus findet in großem Maßstab statt Es geht um die Demontage der bestehenden Normen, insbesondere in Bezug auf Eigentum. Deshalb sind das kollektive Eigentum, die Kollektivierung der Arbeit und natürlich die gemeinschaftliche Verteilung der Überschüsse so wichtig.

Unser Ziel ist es, eine Kultur des kollektiven Eigentums zu etablieren, die dem vom Kapitalismus geförderten Individualismus entgegenwirkt. Wir wollen Menschen zusammenbringen, uns in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft organisieren und unsere Produktionsmittel schützen, während wir gleichzeitig die Industrialisierung und den Direktvertrieb vorantreiben. Schließlich wollen wir den gesamten Produktionszyklus kontrollieren. 

Da wir Primärerzeuger sind, wird der Überschuss unserer Gemeinschaftsproduktion derzeit häufig vom kapitalistischen Markt erfasst. Das ist ein ernstes Problem, das die Bedeutung der kommunalen Industrialisierung unterstreicht. 

Was ich sage, gilt nicht nur für die Kommune El Maizal: Alle Kommunen müssen sich industrialisieren. Gelingt dies nicht, so bedeutet dies eine Überlebenswirtschaft am Rande des bestehenden kapitalistischen Systems. 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte ein Großteil der globalen Linken der Staatsmacht den Rücken zu. Chávez spielte wohl eine entscheidende Rolle bei der Neupositionierung des Konzepts der „Machtübernahme“ im Diskurs der Linken. 

In Simón Planas versuchte die Kommunen Bewegung in einem Raum konstituierter institutioneller Macht Fuß zu fassen: dem Büro des Bürgermeisters. Das hat sie getan, indem sie Ihre erfolgreiche Kampagne zur Wahl des Bürgermeisters unterstützt hat. Warum war es wichtig, diese Institution zu kontrollieren? 

Als Chavistas und Kommunarden streben wir danach, die vorhandenen Ressourcen zu kontrollieren und sie in den Dienst des Volkes zu stellen. In unserem Fall bedeutet das, die Kontrolle über die Produktionsmittel und die öffentlichen Einrichtungen in unserer Kommune zu übernehmen. 

El Maizal blickt auf eine lange Geschichte der Vergemeinschaftung von ungenutztem Land und Produktionsmitteln zurück, aber in jüngster Zeit ist es uns gelungen, durch unsere Teilnahme an den Wahlen die Kontrolle über das Bürgermeisteramt zu erlangen. Wie Chávez schrecken auch wir nicht vor solchen Wettbewerben zurück. 

Je nachdem, wer sie kontrolliert, kann eine Kommunalverwaltung Fortschritte bei der Verwirklichung kommunaler Ziele fördern oder behindern, und wir arbeiten hart daran, Ersteres zu erreichen. In Anlehnung an Chávez glauben wir an die aktive Auseinandersetzung mit der Macht: sie zu ergreifen und in den Dienst des Volkes zu stellen. Ohne die Machtübernahme von Chávez hätte die Kommune nicht an Boden gewinnen können. Seine Führung war der Schlüssel zur Förderung des sozialistischen Projekts und zur Wiederbelebung der Diskussion über die von uns angestrebte Utopie.

Natürlich ist es wichtig, dass man nicht von der Macht verschlungen wird; stattdessen sollte sie den Menschen dienen. In unserem Land kann die Staatsmacht, wenn sie auf revolutionäre Weise ausgeübt wird, zu einem Katalysator für den Fortschritt der Kommune werden.

 Chávez wies wiederholt darauf hin, dass Venezuela im Wesentlichen immer noch ein Staat der Oberschicht ist. Ihr Ziel als Bürgermeister ist es nicht, den Staat der Oberschicht zu stärken, sondern Bedingungen für seine Auflösung zu schaffen. Was sind die Gefahren und Möglichkeiten für Sie als Kommunard, sich in der Politik auf staatlicher Ebene zu engagieren?

Selbst als Chávez noch lebte, gab es innerhalb des Staates eine Kampagne zur Diskreditierung des Gemeinschaftsmodells, indem es als veraltet, erfolglos oder ineffizient dargestellt wurde. Diese Vorstellungen halten sich hartnäckig. Deshalb sehen wir unsere Beteiligung an der lokalen Regierung als eine Gelegenheit zu zeigen, dass Kommunarden die Institutionen versiert verwalten können. 

Anfänglich standen wir aufgrund der weit verbreiteten Skepsis vor vielen Herausforderungen. Wir haben jedoch bewiesen, dass wir mit politischer Entschlossenheit, der Einhaltung von Grundsätzen und einer klaren Zielsetzung den kommunalen Verwaltungsapparat effizient verwalten und in den Dienst der Bürger stellen können. Wir sehen es als Werkzeug, aber der wahre Katalysator für den sozialen Wandel ist die Kommunen-Bewegung. 

Dennoch gibt es potenzielle Fallstricke und Gefahren. Würden wir das Bürgermeisteramt als Mittelpunkt der Politik interpretieren, würden wir als Revolutionäre und Chavisten versagen, da wir das aufgeben würden, was der Kern unseres politischen und wirtschaftlichen Lebens sein sollte: die Kommune.

Ihre Verwaltung als Bürgermeister von Simón Planas hat sich als äußerst effizient erwiesen. Einrichtungen der Gemeinde haben zahlreiche Probleme in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheitswesen und Bildung gelöst. Diese Errungenschaften sind zwar lobenswert, aber wie tragen sie zum strategischen Ziel des kommunalen Sozialismus bei?

Vom Büro des Bürgermeisters aus haben wir aktiv Debatten, Volksabstimmungen und kollektive Entscheidungsprozesse gefördert. Mit anderen Worten: Die Konsultation ist fester Bestandteil unserer Regierungsform, die von Tag zu Tag gemeinschaftlicher sein sollte. 

So haben wir beispielsweise vor einem Jahr eine Volksabstimmung über einen Bürgerhaushalt organisiert. Das Hauptziel war die Aufhebung veralteter städtischer Verordnungen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten in Kraft waren und unsere Möglichkeiten behinderten, gemeinsam mit den Bürgern den Haushalt zu planen, Gesetze zu erlassen und zu regieren. Das Referendum verfolgte mehrere konkrete Ziele: Wir wollten Mittel, die einst von hochrangigen Beamten kontrolliert wurden, für öffentliche Arbeiten umwidmen und dem pueblo wichtige Entscheidungsprozesse ermöglichen.

Das Referendum war ein Erfolg. Die hohe Beteiligung ebnete den Weg für ein neues Governance-Modell, bei dem Ressourcen, Informationen und Entscheidungen nicht mehr in den Händen einiger weniger liegen. Die Öffentlichkeit ist nun an der politischen und wirtschaftlichen Leitung von Simón Planas beteiligt und stärkt so die kommunale Organisation.

Einige der Kommunarden, mit denen wir hier gesprochen haben, sagen, dass die „kommunale Regierung“ letztendlich das Bürgermeisteramt ersetzen sollte. Aber was genau ist eine "kommunale Regierung" in diesem Zusammenhang?

Es ist im Wesentlichen eine Regierung durch das Volk und für das Volk. Sie kommt zustande, wenn die Öffentlichkeit gemeinsam entscheidet, was getan werden muss, und sich aktiv an der Planung und Durchführung beteiligt. Eine kommunale Regierung arbeitet mit Autonomie, Souveränität und der Freiheit, Entscheidungen ohne institutionelle Zwänge zu treffen.

Inspiriert von Chávez' Vision ist es unser Ziel, alte Institutionen wie die Gemeindeverwaltung aufzulösen und sie durch selbstverwaltete Räume zu ersetzen, die sich voll und ganz der Vergemeinschaftung der Gesellschaft verschrieben haben.

 Photo: Comuna El Maizal

Available in
EnglishSpanishGermanArabicKoreanMalaysianUrduTurkishRussianFarsiPortuguese (Brazil)PolishItalian (Standard)French
Authors
Chris Gilbert and Cira Pascual Marquina
Translators
Kathrin Oster, Uta Schulz and ProZ Pro Bono
Date
18.02.2024
Source
VenezuelanalysisOriginal article🔗
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